„The party is not complete…“

Für mich ist es hier ja nicht nur eine Auseinandersetzung mit der tansanischen Kultur, ebenso erlebe ich ja jeden Tag auch ein Stück Amerika. Traditionelle us-amerikanische Küche stellte ich mir bisher eigentlich immer als Fastfoot vor, aber über die Kochkünste meiner Mitbewohnerinnen kann ich mich nicht beklagen. Doch was ist schon traditionell us-amerikanisch? Meine Mitbewohnerinnen haben ihre familiären Wurzeln zur Hälfte in den Philippinen, Irland oder Italien. So ist das Essen oft wirklich gut. Meist vegan. Höchstens Eier. Fleisch ist einfach zu teuer und Jamie ist ja auch eigentlich Vegetarier, zumindest wenn es eh kein Fleisch gibt. Milchprodukte sind auch teuer und es gibt nicht so viel. Doch es gibt ja die Montage, an denen wir einen gemeinsamen Abend mit den Jesuiten verbringen und dort gehört zum guten Essen immer eine große Portion Hühner-, Ziegen- oder Rinderfleisch.
Diesmal allerdings haben wir die Jesuiten eingeladen. Thanksgiving, ein ur-us-amerikanisches Fest, wollte gefeiert werden und dazu gibt es traditionell Truthahn. So wurde ein lebender Truthahn gekauft und dann am Tag des Festes geschlachtet. Das hat allerdings nur Roxanne miterlebt, die mit dem Zubereiten der Truthahnes betraut wurde.
Gefeiert wurde bei den Jesuiten in Ihuma, also denen, die auf dem Schulgelände der St. Peter Claver Highschool wohnen, weil dort die größte Küche ist. In dieser Küche wird aber weitestgehend nur für die Jesuiten gekocht. Die Schulküche ist noch etwas größer, aber bei weitem nicht so gut ausgestattet. Doch auch bei den Jesuiten ist es schwer ein scharfes Messer zu finden.
Kleiner Exkurs: Sonntagsgottesdienste
Bevor wir in der Stadt noch die weiteren Zutaten für das Mahl kauften, waren wir zu Christ-König im Gottesdienst. Es war einer meiner schönsten Gottesdienste in Tansania bisher. Ich sang diesmal nicht mit im Chor, sondern hörte ihm einfach zu und erfreute mich gleichzeitig an der Darbietung der Kindertanzgruppe, die ich erstmals in Aktion erlebte. Die Sonntags-Gottesdienste hier sind etwas anders als in Deutschland. Musikalisch partizipiert die Gemeinde kaum am Gesang des Chores. Dominant ist dahin gegen die Elektroorgel samt Drumcomputer. Die Organisten beherrschen für gewöhnlich ihr Instrument wirklich gut, aber rein geschmacklich passt es manchmal so gar nicht. Negativer Höhepunkt war für mich bisher unsere Darbietung von Händels „Amen, Halleluja“ auf Kiswaheli. Dieses Stück hatten wir wirklich lange geprobt und teilweise war es wirklich anstrengend eine komplette Chorprobe lang nur an diesem einen Stück zu arbeiten. Aber schließlich klang es doch annehmbar. Im Gottesdienst sangen wir es aber nicht a-capella, sondern in Begleitung der Elektroorgel, die schön die Dynamik des Stückes einebnete. Doch mit zugeschaltetem Drumcomputer konnte das für europäische Ohren eigentlich nur noch eine Parodie sein. Aber die Gemeinde klatsche danach trotzdem.
Dafür wird die Gemeinde öfter eingeladen Gebete, die in Deutschland für gewöhnlich nur der Priester spricht, laut mitzubeten. Besonders beim Hochgebet ist das eindrucksvoll. Bei den Wandlungsworten singt die Gemeinde bestätigend, dass dies wahrlich der Leib bzw. das Blut Christi sei und sie es respektieren und weist dabei mit der rechten Hand gen Altar. Auch die Schlussdoxologie des Hochgebetes und das Gebet vor dem Friedensgruß wird oft nicht nur vom Priester alleine gesprochen. Ansonsten ist es ein streng katholischer Ablauf. Die normalerweise fast anderthalb Stunden enthalten eine längere, vielleicht dem Längenmaß der evangelischen Kirchen entsprechende Predigt. Ich verstehe von der Predigt nichts, aber einmal erzählte Fr. Sossy, dass er seit Wochen damit beschäftigt ist zu predigen, dass es keine Rolle spielt, ob der Kopf Jesu am Kreuz nach links oder rechts geneigt ist. Irgendjemand hatte in die Welt gesetzt, dass Kruzifixe mit einem nach links geneigten Kopf verwunschen oder vom Teufel sind. Viele hat das verunsichert. Die meisten Menschen hier sind eben sehr religiös und ihnen liegt ein gottgefälliges Leben am Herzen und so wollen sie ihn nicht mit einem falschen Kruzifix erzürnen.
Die Vermeldungen werden weitestgehend von Gemeindemitgliedern vorgetragen. Das Schlusslied wird nach einer Strophe abgebrochen, um noch ein Gebet mit Bezug auf Ignatius, den Gründer der Jesuiten, zu sprechen. Ist das Gebet vorbei, singt der Chor noch etwas, während die Gemeinde aus der Kirche strömt und für die nächsten Gottesdienstbesucher Platz macht. Dann zieht auch der Chor ab und unser Chorleiter steht manchmal noch mit den Armen wendelnd als letzter vor leeren Bänken. Letztendlich wird dann auch die Elektroorgel und der Drumcomputer abgeschaltet. Nach wenigen Minuten stimmt der dritte Chor das erste Lied für die dritte Sonntagsmesse an.
Die Gottesdienstbesucherzahl sinkt allerdings kontinuierlich. Zum ersten Gottesdienst um 7 Uhr kommen mehr als 2.000 Menschen. Sie sitzen dicht gedrängt auf den Bänken, stehen an den Eingängen der Kirche oder haben einen Platz auf dem Gelände um die Kirche gefunden. Warum so viele ausgerechnet den ersten Gottesdienst besuchen wollen, beantworten die Jesuiten mit der von vielen nicht so eingehaltenen Sonntagsruhe. Viele gehen danach wie normal arbeiten. Staatliche Institutionen haben aber sonntags geschlossen. Einige hundert, aber sicher weniger als tausend, Menschen kommen zum zweiten Gottesdienst um 9 Uhr, während man beim dritten Gottesdienst gerne eine Bankreihe für sich alleine haben kann. Am Nachmittag gibt es noch einen Kindergottesdienst, aber den habe ich bisher noch nie besucht.
Unser Chor versammelt sich indes nach dem Gottesdienst zur Probe oder zur Gesprächsrunde, die manchmal noch andauert, wenn der dritte Gottesdienst endet. Aber falls es wirklich so lange dauert, kann ich danach bei den Jesuiten auf dem Kirchengelände vorbei schauen und werde dann zu Brause und gelegentlich auch gleich zum Mittagessen eingeladen.
Die Thanksgiving-Feier
Die Jesuitengemeinschaft war zu dem Zeitpunkt ziemlich amerikanisch geprägt, da 3 Jesuiten aus Amerika da waren. So gab es dort in den vergangenen Wochen schon des öfteren einen amerikanischen Abend mit texanisch-mexikanischem Essen. Wir konnten also davon ausgehen, dass es einige geben wird, die den Truthahn dann auch essen.
Mein Plan war mich um die Nachspeise zu kümmern, die aus einem Maulwurf-Kuchen bestehen sollte. Einige wichtige Zutaten sind aber schwer zu bekommen. Wirkliche Butter gibt es nicht, sondern nur gesalzene Margarine und auch nur saure Sahne, die wir dann auch vergaßen einzukaufen, aber Bananen sind sehr günstig und so bestand dann halt die Creme aus vielen Bananen mit etwas Milch angedickt mit etwas Mehl und Zucker, wobei letzerer eigentlich überflüssig war. Doch der Kuchen gelang. Vorher musste aber überhaupt einer der 3 Öfen wieder in Gang gesetzt werden. Es war auch für einige Jesuiten unverständlich, dass in solch einer großen Küche kein einziger Ofen funktionierte und niemand davon etwas wusste. Letztendlich gelang es, aber dem amerikanischen Fr. Jim und mir den größten Ofen wieder in Betrieb zu nehmen, dass überhaupt der Truthahn zubereitet werden konnte und Fr. Jim auch seinen Apfelkuchen backen konnte.

Hannah rührt mit mir die Soße für den Truthahn an.

Hannah rührt mit mir die Soße für den Truthahn an.


Schließlich gab es ein sehr üppiges Mal. Besondere Freude verbreitete sich bei uns, als wir erfuhren, dass auch die Gema-Schwestern aus St. Ignatius mitfeiern werden. Es war wirklich im wahrsten Sinn ein Danksagungsfest. Während die anderen sich an hochprozentigen Getränken erfreuten gab es für Roxanne, mich und einige Schwestern leckeren Mangosaft.
Ein reichlich gedeckter Tisch. Das Festmahl kann beginnen.

Ein reichlich gedeckter Tisch. Das Festmahl kann beginnen.


Doch nach mehreren Runden Essen bei denen ich besonders den Kartoffelbrei schätzte, den ich in ähnlicher Qualität nur von meinen Großeltern kenne und der letztendlich von der Schulleiterin von St. Ignatius, Sr. Euphrasia, gewürzt worden war, und alle dachten, dass es ein schöner Abend war, stand Fr. Derick, ein noch recht junger und sehr lebendiger Jesuitenpater aus Dar-Es-Salam auf und sagte „The party is not complete! Now we have to dance!“ Die Schwestern waren gleich dabei und auch Fr. Ayaga, der Schulleiter von St. Peter Claver, macht da immer schnell mit. Ja, dann nach einer guten halben Stunde war dann die Party „complete“, so dass sich jeder dran erinnern würde.
Wir tanzen zu afrikanischem Discosound. In der ersten Reihe Br. Jean-Baptist, Cristina, Br. Thomas, Fr. Jim. Neben mir Sr. Euphrasia.

Wir tanzen zu afrikanischem Discosound. In der ersten Reihe Br. Jean-Baptist, Cristina, Br. Thomas, Fr. Jim. Neben mir Sr. Euphrasia.


Meine (nun teilweise ehemaligen) Mitbewohnerinnen: Roxanne, Cristina, Hannah und Jamie (v.l.n.r.).

Meine (nun teilweise ehemaligen) Mitbewohnerinnen: Roxanne, Cristina, Hannah und Jamie (v.l.n.r.).


Auf dem Rückweg holten wir die mindestens 10min vor uns gestarteten, gemütlich hinter einem Truck hertuckelden Schwestern ein, doch wir konnten sie nicht überholen und Fr. Sossy stieß ein „Go, sister, go!“ aus. Letztendlich rasten sie uns dann doch davon.
Es ist auch hier sicher etwas besonderes, wenn man sich zu einem gottgeweihten Leben entschließt. Aber es gibt doch eine Vielzahl von Berufungen, auch gerade in christlich geprägten Schulen. Eine handvoll Schüler von St. Peter Claver möchte gerne Jesuit werden. Es ist ja auch kein Leben hinter Klostermauern, sondern ein Leben in der Welt. Vorzugsweise mit den Armen, Kranken und Schwachen, wobei zu letzteren sicher auch Kinder gezählt werden können. Ein Leben, bei dem es genauso viele alltägliche Probleme und Herausforderungen gibt, doch auch viele Freuden. Neben der grundsätzlichen Freude des Evangeliums, sind da viele Feiern. Also gutes Essen gibt es immer und einen Grund zum Feiern findet man auch schnell. Ansonsten stößt man auf den Tagesheiligen an. Manchmal kann sich da natürlich die Frage nach der gelobten Einfachheit oder gar Armut stellen. Ist es nötig, dass die Jesuiten oft eher ein iPhone statt einem einfachen Handy haben oder das Essen so gut ist? Was ist Voraussetzung für eine gute, effiziente Arbeit, was ist Luxus? Doch das ist sicher eine Frage, die jeder einzelne oder jede Gemeinschaft für sich ehrlich beantworten muss.

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