Klassenfahrt nach Iringa

Heute beginnt nach 5 Wochen Ferien das zweite Schulhalbjahr. Zumindest würde es beginnen, wenn nicht mal wieder Saba-Sada wäre. Dieser jährlich zweimal stattfindende Händlertag ist ein offizieller Feiertag und liegt wie bereits im Januar wieder auf dem ersten Schultag.
Die tatsächliche Ferienzeit, schwankt aber von Klasse zu Klasse. Stehen am Ende des Jahres „national exams“ an, werden die Ferien deutlich verkürzt. In der Highschool waren somit die Ferien für Form 2 und Form 4 nur 2 Wochen, in der Grundschule wurden für Standard 4 und 7 die Ferien gleich ganz gestrichen, dafür wurde wohl deren sonst normaler Samstagsunterricht ausgesetzt.
Dieses Land ist manchmal so gegensätzlich. Einerseits die Entspanntheit, die eine, zumindest aus deutscher Perspektive so scheinende, gewisse Unordnung hervorruft, während man einer mehr oder minder benötigten Beschäftigung nachgeht, die gerade fürs tägliche Auskommen reicht. Andererseits die Welt der Schulen, zumindest jener, die eine hohe akademische Exzellenz anstreben. Für das Alter der Kinder und Jugendlichen, aber vielleicht gar generell, empfinde ich den Stundenplan besonders an der St. Peter Claver Highschool zu straff. Die Schüler werden dort meist gegen 4:30 Uhr morgens geweckt. Bevor der Unterricht gegen 8:00 Uhr losgeht, stehen häufig Examen, Hausaufgaben und natürlich tägliche Messe an. Der durchschnittliche Unterrichtstag endet 16:00 Uhr und besteht aus 9 oder 10 Unterrichtsstunden je 40 min, die für gewöhnlich in Doppelstunden unterrichtet werden. Bis zum Abendbrot haben die Schüler oft die Möglichkeit für Sport, wenn nicht noch weiterer Unterricht auf den frühen Abend gelegt wird. Nach dem Essen ist eine weitere Hausaufgabenzeit, mitunter ergänzt durch weitere Examen. Gegen 22:00 Uhr ist dann Nachtruhe. Den Schülern wird verboten Unterrichtsmaterialien in die Schlafräume zu nehmen und weiter zu lernen. Die einzige offiziell im Stundenplan verankerte Ruhezeit außerhalb der Nachtruhe sind 2 Stunden Mittagspause am Sonntag. Es gibt natürlich noch eine Vielzahl von Aufgaben außerhalb des akademischen Programms, wie Wäsche waschen, Schulgrundstück aufräumen, Multifunktionshalle (benutzt als Mensa, Gebetsraum, Versammlungsraum und auch manchmal für Examen) putzen, …
Das Leben in der Schule besteht aus vielen Regelmäßigkeiten und es findet selten eine Methodenverlagerung statt. Der Unterricht ist frontal und gute Ergebnisse sollen meist durch Memorieren, statt durch kreativ-kritisches Denken, hervorgebracht werden. Aber selten ändert sich auch mal die Atmosphäre, zum Beispiel, wenn eine „Studytour“ ansteht.

Eine der wenigen Momente Pause waren im ersten Halbjahr die Einkehrtage. Für jeweils einen Tag gab es pro Klassenstufe verschiedene Angebote. In Begleitung von Lehrer Charles besuchten wir mit Form 3 ein Schwesternhaus am Stadtrand von Dodoma. Am folgenden Wochenende war ich mit Roxanne und Form 2 A auf kleiner Pilgertour.

Eine der wenigen Momente Pause waren im ersten Halbjahr die Einkehrtage. Für jeweils einen Tag gab es pro Klassenstufe verschiedene Angebote. In Begleitung von Lehrer Charles besuchten wir mit Form 3 ein Schwesternhaus am Stadtrand von Dodoma. Am folgenden Wochenende war ich mit Roxanne und Form 2 A auf kleiner Pilgertour.


Beim Schriftkreis haben wir unsere Gedanken zu Psalm 139 zusammengetragen.

Beim Schriftkreis haben wir unsere Gedanken zu Psalm 139 zusammengetragen.


In der St. Ignatius Primaryschool fährt jeweils die aktuelle Standard 6 für ein paar Tage auf Klassenfahrt und neben den beiden britischen jesuitischen Freiwilligen Hugh und Phil (wobei Phil eigentlich Pole ist), die für 5 Monate an der Primaryschool gearbeitet und mit uns gewohnt und uns vergangene Woche wieder gen Heimat verlassen haben, durfte ich auch teilnehmen. Es waren auch eine gute handvoll Lehrer mit dabei und natürlich zwei Schwestern. Lehrer mögen hier grundsätzlich Weiterbildungen und Klassenfahrten, wohl da diese meist mit gutem Essen verbunden sind.
Wir fuhren für 4 Tage nach Iringa, eine sehr hüglige Stadt ca.. 5 Stunden südlich von Dodoma. Auf der Hinfahrt hielten wir am Mtera Power Plant, einem Wasserkraftwerk. Da es mit 80 MW ein sehr wichtiges Versorgungszentrum für Tansania ist, gibt es umfangreiche Sicherheitskontrollen, die allerdings äußerst ineffektiv sind. Zum eigentlichen Herz des Kraftwerks fährt man einige hundert Meter durch einen Tunnel. Bevor wir hinein durften, wurden wir alle aus dem Bus geholt und einzeln mit einem Handmetalldetektor, der wirklich auf jedes noch so kleine Metallstück an der Hose reagierte, gründlich geprüft, um danach wieder in unseren Bus geschickt zu werden, der genauso wenig wie unsere Taschen untersucht wurde. Entweder man macht es wirklich ordentlich oder man kann sich diese 20 min., die es für eine gesamte Schulklasse plus Lehrer braucht auch sparen.
Im Kontrollraum hörten wir einen emotionslosen Vortrag auf Kiswaheli über das Kraftwerk und dessen Stromverbraucher, dann gingen wir hinunter und sahen wir die Fallrohre zu den Turbinen und hörten später die Generatoren surren. Insgesamt ein halbwegs modernes Kraftwerk.
Als wir später als erwartet in Iringa ankamen, waren in der gebuchten Herberge natürlich nicht genug Betten vorhanden, aber das sind alles lösbare Probleme. Schließlich gab es ein Haus für die Jungs und 5 Minuten entfernt ein weiteres für die Mädchen.
Am nächsten Tag stand der Schulaustausch an. Hach, was kann denn ein besseres Austausch-Programm sein, als die Schüler gemeinsam Examen schreiben zu lassen. Die Highland English Mediumschool erwartete uns allerdings erst eine Woche später, so dauerte es eine Weile, bis die Examen vervielfältigt waren und die Schüler zu ihren gut insgesamt 3-stündigen Examen über Sachkunde, Mathe und Englisch starten konnten. Da ich die ersten zwei Examen beaufsichtigte, nutzte ich die Zeit, um mich mal selbst zu testen. In Sachkunde reichte es noch für ein „B“, das allerdings schon bei 60% beginnt, in Mathe immerhin ein „A“, wenn auch unter 90%. Die Examen mit ihrer Vielzahl an Definitionen, aber auch Rechnungen haben schon ein gewissen Niveau. Es gab aber bessere Ergebnisse bei den Schülern, aber möglicherweise auch weil sie vielleicht bereits ein identisches Examen geschrieben haben. Während die Ignitius-Studenten durchaus zufriedenstellend abschnitten, waren die Highland-Students, die gar bereits alle Standard 7 waren, äußerst schlecht, aber die Examen kamen ja auch aus Dodoma. Während die Schüler die Examen schrieben, saßen die Lehrer zusammen und berichtigten gemeinsam Examen. Das war wirklich witzig. Jeder bekam einen kleinen Abschnitt im Examen zugeteilt und dann gab es Brause und Kuchen.
Die St. Ignatius Schüler warten auf die Highland Schüler und ihre Examensaufgaben. Die Klassenraum in der Highland School waren deutlich dunkler und kleiner als in St. Ignatius (siehe letztes Bild).

Die St. Ignatius Schüler warten auf die Highland Schüler und ihre Examensaufgaben. Die Klassenraum in der Highland School waren deutlich dunkler und kleiner als in St. Ignatius (siehe letztes Bild).


Durch all die Verzögerungen am Morgen – auch das Frühstück wurde erst verspätet serviert und die Busfahrer sind eh immer 20 Minuten später – war das Mittagessen beinahe Abendbrot, doch es stand noch ein Museumsbesuch an, für den 3 Stunden eingeplant waren. Letztendlich entschieden wir uns das Museum zumindest mal noch zu suchen und zu hoffen, das es noch auf hat. Es bestand aus einem wenige Quadratmeter kleinen Haus mit übersichtlichem Garten. Selbst wenn die fast ebenso große Toilette nebenan zum Museum gezählt würde, wären 3 Stunden doch ein wenig zu lang. Das Museum beschäftigte sich mit der lokalen Geschichte, insbesondere einem 1891 geschehen Ereignis. Dem lokalen Stammeshäuptling Chief Mkwawa war es gelungen, ein Expeditionskorps der Deutschen, die damals als Kolonialherren weiter ins Landesinnere eindringen wollten, vernichtend zu schlagen. Dass die eigenen Verluste wohl dem Vielfachen der deutschen entsprachen, wird im Museum nicht erwähnt. Doch es war der erste Sieg eines ostafrikanischen und somit waffentechnisch total unterlegenen Stammes gegen europäische Besatzer und entsprechend groß war die Schmach. Die Deutschen rächten sich aber drei Jahre später. Im Museum gab es nun neben ein paar Waffen, Bildern und Texten (auch in Englisch) ebenfalls den Schädel von Chief Mkwawa zu sehen, der sich nach einigen Jahren Guerillakrieg letztlich selbst um brachte, um nicht lebendig in die Hände der Deutschen zu fallen. Auf dem Rückweg zum Abendessen sangen die Schüler zur Gitarre im Bus, so dass man es noch laut auf der Straße hören konnte.
Das Memorial von Chief Mkwawa.

Das Memorial von Chief Mkwawa.


Am nächsten Tag stand mit dem Besuch des Ruaha-Nationalparks der Höhepunkt auf dem Programm. Doch auch diesmal verzögerte sich der Start wegen der üblichen Gründe. Nach fast 3 Stunden Busfahrt erreichten wir den Park kurz vor Mittag. Dann fuhren wir durch den Park und sahen neben Giraffen, Zebras, Elefanten und unzähligen Antilopen, auch zwei Kudus, eine besondere Antilopen-Art mit langen spiralförmigen Hörnern. Diese beeindruckten besonders durch ihr Behäbigkeit, in der sie langsam, aber sehr erhaben durch das Buschland schritten. Die Flusspferde, waren sogar diesmal mit halben Oberkörper aus dem Wasser gekommen, doch nach unserer Ankunft tauchten sie langsam ab (Die Betonung liegt auf langsam!). Als wir wieder zum Ausgang des Parks fuhren, sahen wir gar zwei Mambas (Krokodile). Während das eine faul am Ufer lag, wartete das andere mit weit aufgesperrtem Maul an einer Stromschnelle. Löwen oder gar Leoparden bekamen wir aber nicht zu sehen. Da kein vollwertiges Mittagessen organisiert war, mussten wir nach 2 Stunden im Park wieder nach Iringa aufbrechen. Trotz der kurzen Zeit war es für viele Schüler ein besonderes Erlebnis, da viele noch nie zuvor in einem Nationalpark waren.
Gruppenfoto am Parkeingang.

Gruppenfoto am Parkeingang.


Zebra fast zum Anfassen. Im Nationalpark gibt es viele Tierarten zu sehen und oft auch nah beieinander.

Zebra fast zum Anfassen. Im Nationalpark gibt es viele Tierarten zu sehen und oft auch nah beieinander.


Suchbild: gefräßiges Krokodil.

Suchbild: gefräßiges Krokodil.


Die Rückreise blieb am vierten Tag ohne besondere Vorkommnisse. Am Morgen gab es noch eine ca.. halbstündige Shopping Gelegenheit in Iringa für die Schüler. Insbesondere Uhren waren sehr gefragt. Auch in der Highschool tragen viele Schüler Uhren, doch viele tragen die Uhren nur noch zum Schmuck, da sie nicht mehr funktionieren. Wegen der doch häufig geringen Produktqualität, besonders von Elektronikartikeln, die inzwischen fast ausschließlich aus China stammen, gibt es zwar auch viele kleine Werkstätten, aber gleichzeitig wünschen sich viele Tansaniaer, sofern sie sich es leisten können, ein Handy in Europa zu kaufen.
Neben dem eigentlichen Programm war für mich besonders das Verhalten der Schüler und der Verantwortlichen interessant zu beobachten. Die Schüler waren abgesehen von den üblichen kleinen Reibereien untereinander insgesamt äußerst diszipliniert, während besonders die männlichen Lehrer oder Busfahrer, sich etwas zu sehr selbst auf Klassenfahrt befanden. Es war jedoch eine für alle Beteiligen schöne Klassenfahrt.
Natürlich muss die Schule gesäubert werden, bevor es in die Ferien geht. Erst wird Wasser geholt ...

Natürlich muss die Schule gesäubert werden, bevor es in die Ferien geht. Erst wird Wasser geholt …


... und dann gewischt. Bei Standard 3 wird es meist eine kleine Wasserschlacht. Aber dadurch ist die Freude auch groß, wenn es mal wieder heißt, Klassenraum reinigen.

… und dann gewischt. Bei Standard 3 wird es meist eine kleine Wasserschlacht. Aber dadurch ist die Freude auch groß, wenn es mal wieder heißt, Klassenraum reinigen.

Mein Alltag als Freiwilliger

Meine Ankunft hier in Tansania ist bald ein halbes Jahr her und so wird es Zeit für ein kleines Zwischenfazit. Überhaupt hab ich ja noch wenig über meine eigentliche Arbeit hier berichtet. Die lange Wartezeit auf neue Artikel soll nun endlich vorbei sein.
Bereits in meiner ersten Woche hatte ich mich für meinen Arbeitsplatz entschieden: die St. Peter Claver Highschool der Jesuiten etwas außerhalb von Dodoma. Die Schule ist ein Internat und wurde vor gerade erst 3 Jahren gegründet und somit wird in einem Jahr die erste Graduierung stattfinden.
Ein Schultag an der Highschool beginnt für mich kurz nach 6 Uhr mit dem Klingeln des Weckers, um dann gegen 6:45 Uhr den Schulbus, in dem nur Lehrer und sonstiges Schulpersonal mitfahren, zu nehmen und nach einer guten halben Stunde Fahrt die Schule zu erreichen. Der Unterricht beginnt meist etwas unpünktlich nach 8 Uhr. Das hört sich ja ganz gemütlich für die Schüler an, aber diese müssen schon gegen 5 Uhr zu Morgenexamen, Frühstück und Messe aufstehen. Montags und Mittwochs ist dann auch noch Appell mit den Lehrern. Natürlich wird dann auch die Nationalhymne gesungen. Wenn die Schüler das nicht so natürlich finden und nicht laut singen, dann dürfen sie gleich noch einmal singen. Meist klappt es dann besser. Nach der ersten 80-minütigen Doppelstunde gibt es dann ein weiteres Frühstück auch für die Lehrer, mit Tee und abgezähltem, aber meist leckerem Weißbrot. Es folgen 2 weitere Doppelstunden und dann das Mittagessen, welches entweder Ugali mit Bohnen oder Reis mit Bohnen ist. Seit diesem Jahr gibt es allerdings etwas unregelmäßig auch Ziegenfleisch dazu. Inzwischen essen die Lehrer aber getrennt von den Schülern, während es im vergangenen Jahr mit dem erhöhten Lehrertisch am Kopf der Halle und den nach Klassen sortierten Schülertischen noch etwas an Hogwarts erinnert hatte. Nach einer kurzen Mittagspause stehen am Nachmittag noch 3 Einzelstunden an, bevor es für mich mit dem Bus um 16:15 Uhr zurückgeht, während die Schüler meist eine Stunde Sport, dann Abendbrot und weitere Selbststudieneinheiten am späten Abend für die Hausaufgaben haben. Zwischendurch müssen sie natürlich auch ihre Sachen waschen und Strafaufgaben übernehmen. Die einzige wirklich festgeschriebene freie Zeit im Stundenplan sind für sie einige Stunden am Sonntagnachmittag, sofern sie nicht in Sportteams sind. Wenn anschließend noch Chor ist, bin ich wochentags gegen 18:30 Uhr wieder zu Hause und darf dann kochen oder abwaschen oder einfach genießen, dass das diesmal Aufgabe meiner Mitbewohner ist. Ja, Mitbewohner. Inzwischen sind mit Hugh und Filip zwei junge Briten eingezogen, sodass wir nun 7 JVs unter einem Dach sind. Skat und Siedler habe ich ihnen bereits beigebracht, so ist schon mal eine gute Grundlage gelegt.
An meinem ersten Tag an der Highschool hatte ich auch gleich meine erste Unterrichtsstunde in Physik zu halten. Am Morgen schloss ich mich Justin Katabaro, dem damaligen Physiklehrer, an und war mit ihm zu einer Auswertungsstunde über ein Examen der Form 2, entspricht ungefähr der 8. oder 9. Klasse, mitgegangen. Er diskutierte erst einige Physikaufgaben mit den Schülern und ließ sie anschließend weitere rechnen. Dann ging ich auch durch die Reihen und gab Hinweise. Nach dem Mittagessen waren wir auf dem Weg zu einem anderen Stream der Form 2, als Katabaro mir eröffnete, dass ich doch eigentlich alleine in die Klasse gehen könne und mit ihnen über das Examen sprechen kann. Und schon stand ich mit dem Aufgabenzettel und ein paar Stücken Kreide in der Hand etwas hilflos vor der Klasse. Da ich Physik nun mal auf Deutsch studiert habe, verstand ich viele der Aufgaben nicht so ganz. Doch dies änderte sich so langsam in den folgenden Wochen, in denen ich viel in den Physikbüchern blätterte und mir die neuen Begriffe versuchte zu merken. Die Aussprache von Wörtern wir „circuit“ oder „acceleration“ ließ ich mir dann von den Schülern beibringen. Das Schulmotto „To learn, to love, to serve“ (dt.: „lernen, lieben, dienen“) kann doch auch für mich gelten.
In den letzten Monaten des Schuljahres standen viele Examen an. Ich verbrachte einmal eine komplette Woche damit Examen zu beaufsichtigen, wobei immer zwei zweieinhalb-stündige Examen pro Tag stattfanden. Und dies für die Schüler auch mal durchgehend über 2 Wochen hinweg. Unvorstellbar an deutschen Schulen. Aber die Schüler denken wohl auch unterschiedlich über diese Situation. Es wird halt hingenommen und man sieht, ob man was verstanden hat. Kritik gibt es aber, wenn der Stundenplan für die Examen plötzlich umgestellt wird. Meine Aufgabe bestand während der Aufsicht darin die Blätter auszuteilen und später zusammenzuheften und einzusammeln sowie den Schülern Klogänge zu erlauben. Anfangs schaute ich auch genauer nach Spickversuchen, habe aber nie jemanden erwischt. Wenn ca. 200 Schüler in der Multifunktionshalle das Examen schreiben und der zweite Aufsichtslehrer sich eher nur gelegentlich blicken lässt, ist das zwar ein niedrig qualifizierter, jedoch trotzdem ziemlicher Fulltime-job, insbesondere wenn es Probleme mit den Examensfragen gibt und ich dann versuchen soll die Fragestellung zu berichtigen, dass es nicht zum Nachteil für die Schüler wird. So viele Examen müssen dann natürlich kontrolliert werden. Für 3 Physikexamen war ich zuständig. Der Multiple-Choise-Teil am Beginn geht natürlich sehr schnell, aber die weiteren Aufgaben ziehen sich, besonders wenn ich gerne Hinweise zu den Fehlern oder zu überhaupt einem Lösungsansatz geben möchte. Ich weiß aber nicht, inwieweit die Schüler sich dies zu Herzen nehmen. Es kamen aber nach Rückgabe der Examen nur sehr vereinzelt Fragen zur Punktezählung, somit waren sie wohl zufrieden oder desinteressiert. Natürlich sind es Jugendliche und es gibt sicher auch Dinge, die außerhalb des Unterrichts interessant sind, aber viele Schüler wollen auch intensiv und ernst studieren. Ihre Eltern zahlen schließlich viel Geld für einen Platz an der Highschool und sie verstehen, dass eine gute Bildung eine Grundlage für einen recht komfortablen Lebensunterhalt sein kann.
Am Ende der Schulzeit, als die Examen geschrieben waren, bekam ich die Möglichkeit eigenverantwortlich eine kleine Unterrichtseinheit zur Vektorrechnung und überlagerten Bewegungen für die „upcomming Form 3“ zu halten. Doch ich war wohl der einzige Lehrer, der versuchte in diesen letzten 2 Schulwochen noch zu unterrichten. So waren nur wenige Schüler im Klassenraum, einige von ihnen wollten aber durchaus gerne etwas Physikunterricht haben. In der nächsten Stunde waren es dann schon ein paar mehr Schüler, obwohl das Thema etwas trocken ist und ohne die Mathematik, die es erst später behandelt, auch recht schwierig zu verstehen.
Es gab auch zwischendurch vereinzelt ein paar Unterrichtsstunden für mich oder ich beaufsichtigte die Arbeit im Physiklabor und berichtigte die Protokolle hinterher. Leider hab ich noch zu wenig Erfahrung im Unterricht, aber ich denke, dass die Erfolge der Schüler, zumindest was Physik betrifft, sich nicht besonders von denen in Deutschland unterscheiden. Doch es gibt natürlich schon große Unterschiede in der Arbeitsweise. Die Schüler müssen deutlich mehr Definitionen auswendig lernen und sind sicher besser im schriftlichen Rechnen, da sie weder Tafelwerk noch Taschenrechner benutzen.
An der Highschool gab es aber auch immer mal wieder Tage, an denen eigentlich nicht so richtig was zu tun war, dann blätterte ich halt in den Physikbüchern oder bastelte eine Übersichtstabelle mit allen wesentlichen physikalischen Größen und deren Einheiten für die Schüler.
Auf den Freitag freue ich mich immer besonders, da es dann an die St. Ignatius Pre- and Primary-School geht. Statt einem Schulbus kann ich mit dem Fahrrad fahren, wobei Schulbusfahrten auch ihren besonderen Charakter haben, da die Schüler die ganze Zeit beten. Sr. Euphrasia, die Schulleiterin und für mich die beeindruckendste Person hier, lobte einmal die Kinder, da sie von ihrem Zimmer aus bei deren Vorbeifahrt noch ihr Beten hören kann.
In der Grundschule ist mein Tagesablauf viel strukturierter. So ging ich immer in die Standart 2 (2. Klasse). Doch zuvor gab es den morgendlichen Appell, bei welchem ebenfalls ein „patriotisches Lied“ gesungen wird, dass eine kleine aus Trommeln und Akkordeon inklusive Tambourmajor bestehende „Schulband“ begleitet, während die Schüler halbwegs gleichmäßig von einem Bein aufs andere wippen. Nach der Begrüßung in der Klasse, die ähnlich singend jener in deutschen Grundschulen ist (Es ist schon was besonderes, wenn über 50 kleine Schüler „Education for life. Good morning Mister Maxxxx“ aufsagen.), kam schnell die wichtigste Frage des Tages auf: „Do you play football with us today?“ Ziemlich bald hatte ich die Aufgabe bekommen „Personality“ zu unterrichten. Das ist ein Fach über das gute Benehmen mit Themen wie „What is a good, a risk or a bad behaviour?“ oder „What are the rights and duties of a child?“, aber auch über die Hygiene und Gesundheitspflege. Generell hab ich mich da sehr an das Lehrbuch gehalten und leider wenig spannende Unterrichtselemente eingebaut. Das lag zu einen an dem Problem, dass die Schüler zwar schon ausgesprochen gut Englisch können, doch viele Wörter natürlich noch nicht kennen oder gar verstehen und zum anderen, da ich mir auch nicht eingefallen ist, was ich darüber hinaus noch in diesem Fach unterrichten könnte, da ich kein vergleichbares Fach in Deutschland kenne. Überhaupt ist es unglaublich schwierig bei so einer großen Klasse interaktive Elemente einzubauen. So ist es an beiden Schulen der klassische Frontalunterricht. Nur durchbrochen von kurzen Frage-Antwort-Spielen. Nach der Poretsch-Pause mit den Kindern (Poretsch ist im Wesentlichen Ugali, also Maismehl mit Zucker und Wasser, aber mir schmeckt es besser als das gekochte Ugali.) hatte ich Chai-Pause mit den Lehrern und im Anschluss kontrollierte ich die Hefte der Schüler, ob sie mein Tafelbild richtig übernommen hatten. Neben dem Auswendiglernen haben viele Schüler auch die Begabung zu einem exakten Kopieren: die Zeile im Heft war noch längst nicht voll, doch da ich auf die nächste Zeile an der Tafel wechselte, machten dies viele Schüler ebenfalls. Bemerkenswert ist auch der Austausch von Arbeitsmaterialien der Schüler untereinander. In den Examen melden sich die Highschool-Schüler, damit sie sich ein Lineal oder einen Winkelmesser (das Geodreieck ist leider noch unentdeckt) borgen können. Am beliebtesten sind aber an beiden Schulen die Radiergummi. Da in der Standart 2 noch ausschließlich mit Bleistift geschrieben wird, wandern dort auch Anspitzer oder Rasierklingen oft durch die Bänke. Manche Schüler haben Buntstifte, andere nicht, aber generell wird da recht schnell geteilt, auch wenn es natürlich immer mal wieder zu Streitereien kommen kann. Doch insgesamt staune ich besonders über die Disziplin der Schüler an der Grundschule.
Irgendwann war es dann Zeit für die Beantwortung der Fussball-Frage und so fand immer ein gut einstündiges Fussballspiel statt. Anfangs versuchte ich noch Mannschaften durch Abzählen einzuteilen, aber da sie ihre Nummer vergaßen oder einfach die Mannschaft wechselten und ich auch nie ganz wusste, wer mit mir spielt, ersann ich die Möglichkeit, dass einige Schüler in ihrem roten Pullover gegen die anderen in ihren grauen T-Shirts spielen konnten. Nachdem die Schüler dieses Aufteilungssystem begriffen hatten, kamen viele immer in ihren grauen T-Shirts, da dies für gewöhnlich die Gewinnermannschaft war. So verteilte ich bald zusätzlich noch rote Leibchen, um wenigstens halbwegs ausgeglichene Mannschaften zu haben. Aber letztendlich gelang es mir nur ein einziges Mal mit der roten Mannschaft zu gewinnen. Wohlgemerkt gegen Schüler der zweiten Klasse. Aber meist hat es allen Spaß gemacht mit gut 30 Spielern auf einem annähernd der Größe eines Halbfeldes entsprechenden Fläche Fussball zu spielen. Einige Schüler scheinen jedoch immer besonders anfällig für Verletzungen zu sein. Falls ich mal hinfiel, kamen die Schüler angerannt und klopften unter einem „Sorry, teacher“ mir den Staub von der Hose.
Ende November begannen dann die Schulferien mit einer Vorbereitungswoche der Lehrer, in der viele Dinge, beispielsweise die Organisation der Labortory-Zeiten für Form 3 und 4 oder das anstehende akademische Jahr, aber auch Gehaltserhöhungen diskutiert wurden.
Mitte Dezember verließ ich Dodoma für eine Woche Zwischenseminar in Bagamoyo, ein Badeort am Ozean nördlich von Dar-Es-Salam. Einerseits war es mit ca. 25 deutschsprachigen Freiwilligen von verschiedenen katholischen Organisationen, im Wesentlichen aus Tansania und frische Abiturienten, eine recht große Gruppe und unsere Einsatzstellen ja doch sehr verschieden, so dass die Probleme auch sehr unterschiedlich sein können. Anderseits hab ich hier (fast) keine wirklich ernsthaften Probleme bisher gehabt. Trotzdem hätte ich mehr wirkliche Zwischenseminararbeit gewünscht, insbesondere um die spezifische Landeskultur etwas mehr zu verstehen, anstatt der Idee „ach, geben wir unseren Freiwilligen mal eine Woche Strandurlaub“, wobei das für einige sicher auch einfach mal gut war.
Über die Weihnachtszeit hatte ich ja bereits berichtet und so ging es Anfang Januar wieder langsam mit der Schule los: Orientierungswoche für die neue Form 1 und etwas Weiterbildung für die Lehrer, auch zum Thema „punishment“ (Bestrafung der Schüler) und gesunder Nähe und Distanz zwischen Schüler und Lehrern. Eigentlich waren sich alle einig, dass jede Bestrafung nicht den akademischen Erfolg der Schüler behindern darf und dass „corporal punishment“ (Schläge) auch keine gute Erziehungsmethode darstellt, auch wenn viele Eltern und zum Teil auch Schüler dies begrüßen. In den folgenden Wochen habe ich es auch deutlich seltener wahrgenommen, dass Lehrer mit einem Stock herumgelaufen sind. Es kam auch vor, dass Schüler in unser „natural science department“ kamen und nach einem Stock fragten und wir etwas suchen mussten bis wir einen verstaubten fanden. So scheint es, dass es nun keine generelle Erlaubnis für die Lehrer für Stockschläge gibt. Von den Schülern werden solche Veränderungen aber auch unterschiedlich aufgenommen. Körperliche Züchtigung wird manchmal eingefordert, da wohl anders manchmal nicht eine gute Disziplin erreicht werden kann. Dass wir Freiwilligen nicht schlagen, wissen sie aber. Neuerdings müssen die Schüler nun immer Briefe für den neuen Disziplin-Lehrer schreiben, in denen sie versprechen, dass sie sich bessern. Dazu gibt es dann noch eine Strafte, die meist irgendein Reinigungsdienst ist. Da momentan noch Regenzeit ist und dementsprechend das Gras entsprechend sehr schnell wächst, ist derzeit „slashing“ (Rasen mähen mit einem recht stumpfen schwarzen Schwert) die am häufigsten verteilte Sühne-Aufgabe. An der Grundschule gibt es seit einem Jahr keine Stock-Schläge mehr.
Der wirkliche Unterrichtsbeginn im Januar verzögerte sich aber unverhofft. Der Grund dafür war der Mond. Ja, plötzlich gibt es halt zwei islamische Feiertage, wie es am Abend zuvor der Präsident Tansanias verkündete. Hier zeigt sich auch ein anderes Zeitverständnis als es uns zumeist in Europa eigen ist. Man ist nicht Herr über die Zeit und betrachtet sie als kostbares und schützenswertes Gut, sondern sie wird einem unverfügbar geschenkt. Warten ist eine alltägliche Situation. Ich weiß nicht, ob es unter dieser Grundannahme als Geduld bezeichnet werden kann, aber für europäische Augen scheint es das zu sein.
Mitte Januar startete nun endlich der inhaltliche Unterricht. Letztendlich hatte ich es mit ein paar „Review-Lessons“ für die Form 2 in den Stundenplan geschafft und sollte auch bei deren Physikstunden mitarbeiten. Inzwischen hatte sich jedoch auch das Lehrerkollegium etwas geändert, anstatt mit Katabaro zusammen zu arbeiten, der an eine andere Schule gegangen war, war nun der neue Informatik-Lehrer Monko auch für die Form 2 in Physik zuständig. Am Morgen des ersten richtigen Schultages meinte er, dass er noch nichts vorbereitet hat und ob ich den Unterricht nicht übernehmen könnte. Da ich mir durchaus schon Gedanken gemacht und ein Tafelbild erarbeitet hatte, war das kein Problem. Doch in den folgenden 2 Wochen unterrichtete ich alle 4 Streams ganz alleine und hatte mal schnell gute 30 Stunden unterrichtet. Dann übernahm Monko endlich seine Aufgabe und ich bekam 3 Examen zur Berichtigung, die allerdings noch einen etwas kleinen Umfang hatten, als am Ende des Jahres. Inzwischen sitze ich nun an der Komposition von 15 (!) Probeexamen im Umfang von je 2 Stunden für die Schüler. Einerseits ist das natürlich viel Arbeit, weil ich nicht einfach nur die Fragen von vorhergehenden Examen benutzen und auch nicht mehrmals die gleiche Frage stellen möchte, aber gerade im Hinblick auf meine „Review-Lessons“ auch ein sehr guter Aufgabenschatz. Doch ich hoffe, dass ich in einer Woche damit fertig bin und dann wieder einen Stream in Physik unterrichten darf. Denn etwas neues den Schülern beizubringen, macht etwas mehr Spaß als nur das bereits gelernte zu festigen.
Nebenbei war ich mit der Verteilung der Schüler auf die Schul-Clubs beschäftigt und hab nun selbst jeden Donnerstag zweimal eine Stunde meinen Deutsch-Club, zu dem auch einige Lehrer ab und zu vorbei schauen. Außerdem gibt es nun auch wieder Gitarrenstunden an der Highschool. Nach etwas Anlaufschwierigkeiten kommen nun jeden Tag nach dem Mittagessen ein paar Schüler. Das nächste Projekt steht bereits in den Startlöchern: die Schulband. Viele Schüler haben bereits Interesse bekundet, doch können noch kein Instrument. Meine Idee ist es deshalb mit den Musikern eine „richtige“ Schulband zu gründen und außerdem eine Stomp!-ähnliche Perkussionsgruppe für alle anderen, denn tanzen können sie einfach. Spätestens zum St.-Peter-Clavers-Day im September möchte ich beide auftrittsreif haben, ob ich dann allerdings noch da bin, weiß ich noch nicht.
Wie jeden Freitag geht es für mich weiterhin zur Grundschule und ich freue mich besonders auf diesen Tag. Meiner Klasse, inzwischen Standart 3, bin ich treu geblieben, doch hab ich noch kein regelmäßiges Fach für mich gefunden. Mal Geographie oder Mathe, doch am liebsten unterrichte ich „vocational skills“, was ungefähr einem Mix aus Kunst, Musik und Handarbeit entspricht. Derzeit sprechen wir über Farben. Ja, sprechen. Die Schüler sollen dann Primär- und Sekundär-Farben theoretisch unterschieden können. Einfach mal Bilder malen, ist eher selten, da das ja nicht im Examen abgeprüft werden kann. Also kein „learning by doing“, sondern „learning based on definitions“. Ob das Memorieren wirklich so einfach zu dem auch vom offiziellen Lehrplan geforderten kritischen und kreativen Denken führt, sei mal dahin gestellt.
Zwischendurch spiele ich mit der ersten und zweiten Klasse während ihrer Sportzeit. Nach dem Mittagessen gibt es dann Gitarrenunterricht, doch nun habe ich es übers Herz bringen müssen, nur noch bestimmte Schüler zuzulassen, da ein sinnvolles Unterrichten mit mehr als zwanzig rumspringenden und lärmenden Kindern, insbesondere denen „meiner“ Standart 3, nicht möglich ist, zumal wir auch nur 2 Gitarren haben.
Zu all der Arbeit in der Schule kommt natürlich noch der Alltag im Haushalt mit kochen, einkaufen, putzen und waschen. Nicht zu vergessen die Chorproben, die manchmal auch anstrengend sein können. Gerade eben gab es jedoch eine Premiere in der Chorprobe: wir haben uns zu ersten Mal eingesungen. Im Wesentlichen war das zwar nur die Tonleiter und ein paar Kadenzen, aber langsam wird es professionell. Zum Aschermittwoch werden wird morgen Abend auch in der Kirche singen.
Es ist also eine große Vielfalt der Aufgaben und Herausforderungen, die mein Freiwilligenleben hier so spannend macht. So fühle ich mich hier weiterhin sehr wohl.

Allen meinen Freunden und Lesern dieses Blogs wünsche ich „Amani na upendo“. Frieden und Liebe. Auch für das neue Jahr.

Das Weihnachtsfoto mit Victoria, Roxanne, mir, Jamie und Mary.

Das Weihnachtsfoto mit Victoria, Roxanne, mir, Jamie und Mary.


Es ist schon seltsam, wie sich die doch recht westlichen Traditionen mit den einheimischen Bräuchen mischen und Ihnen angepasst werden. Gibt es irgendetwas, das wir aus Lateinamerika, Afrika oder Asien an Kultur zu Weihnachten importieren (von in China hergestelltem Spielzeug mal abgesehen)? Hier singen die Chöre doch viele bekannte Melodien. Ob der Text von „Stille Nacht“ sehr frei ins Kiswaheli übertragen wurde, kann ich nicht beurteilen, aber vom Charakter wird es eher als kräftiges Gloria gesungen. Der Nummer-eins-Hit unter den Weihnachtsliedern ist aber die landesübliche Variante von „Hört, der Engel helle Lieder“. Es mag wohl für einen Chor nichts Schöneres geben als aus voller Brust „Gloooooria in excelsis deo“ zu schmettern. Und wenn es nicht ein Chor oder eine Kindergruppe singt, kann man es im Radio hören.
Die Christmette war dann auch der bis dahin feierlichste Gottesdienst, den ich bisher erlebt habe. In den hinteren Bänken saßen mehr als 60 weiß gekleidete Kinder. Die Mädchen mit ihren Schleifen im Haar sahen wie Erstkommunion-Kinder aus. Im Vorprogramm des Gottesdienstes stand der erste Chor vor dem Altar und sang. Das letzte Lied – eben dieses „Gloooooria“ – sangen dann alle Chöre zusammen. Wobei man die Chöre farblich unterscheiden konnte: der erste trägt blaue Hemden oder Blusen zu grauen Hosen, der dritte grüne Hemden, lediglich mein zweiter Chor hat etwas ausgefallene weiße Umhänge mit gelben Streifen. Da ich so was noch nicht besitze und ich nur dieses Lied gesungen hätte, setzte ich mich diesmal zu meinen Mitbewohnern.
Bei Beginn des Gottesdienstes war die Kirche voll, wenn auch nicht so überquellend wie bei der ersten Sonntagsmesse. Dann stimmte der dritte Chor das erste Lied an und während von der einen Seite 5 Priester mit Ministranten einzogen, tanzten von der anderen Seite jene „Erstkommunionkinder“ heran, die sich nun als die Kindertanzgruppe entpuppen. Der Chor wedelte indes mit grün-weißen Luftballons. Eigentlich war es ein ganz normaler katholischer Gottesdienst mit einer kleinen Segnungseinheit für die erwachsenen Taufbewerber, aber es lag eine wirkliche Weihnachtsfreude in der Luft. Während der Lieder waren immer wieder Freudenrufe zu hören. Hier in Tansania gibt es da ein besonders oft von Frauen erzeugtes Geräusch, das man einfach mal gehört haben muss und sich kaum beschreiben lässt: irgendwo zwischen Gurgeln und Zungenflattern bei einer hohen Tonhöhe. Die Jesuiten haben es ja meist nicht so mit einer besonders feierlichen, ausgeladenen Liturgie (das kann man ja auch am Papst sehen – die Botschaft ist entscheidender), doch diesmal gab es viel Weihrauch und das Evangelium wurde begleitete durch die Kindertanzgruppe von zwei Kindern vorgebracht, die wohl Maria und Josef darstellen sollten. In Deutschland ist es am Heiligabend doch eher das vorsichtige Staunen der Hirten, die es nicht so ganz fassen können, das den Charakter der Christmette kennzeichnet. Hier in Tansania ist es der triumphierende und lobende Gesang der Engelsheere. Besonders wenn viele kleine Engel durch die Kirche tanzen.
Auch von und nach dem Gottesdienst gab es ein frohes Beisammensein. Wir hatten die 4 amerikanischen Freiwilligen aus Dar-es-Salam zu Besuch. Es wurde in unserem Haus sehr farbenfroh gekocht: gelber Reis, rote Bohnen, ockerfarbener Humus , helle, ungesüßte Plinse („Chappati“ genannt), grüne Avocado-Creme und bunten Salat. Geschenke gab es keine weiteren. Nur am nächsten Tag lagen 4 Tafeln Schokolade unter unserem Plastikweihnachtsbaum. Für die Gema-Schwestern von St. Ignatius habe ich ein Krippenbild gemalt. Mit Sonnenschein, denn hier ist eigentlich immer Sommer und was weiße Weihnacht ist, wissen die meisten nur aus Filmen. Ganz ohne Hintergedanken war mein Geschenk allerdings nicht, da ich hoffe, dass sie das Aquarell in ihr Wohnzimmer hängen und es dann einen kleinen Gegenpol zu den etwas kitschigen, industrie-gefertigten anderen Bildern bildet. Ich weiß nicht woran es liegt: vielleicht ist der Geschmack einfach anders oder Kunst ist halt ein Luxusgut, das man sich meist nicht leisten kann oder das nicht zur gelobten Armut von Ordensleuten passen würde. Aber der Gestaltung des Wohnzimmers wird nicht so große Bedeutung zugemessen und so findet man meist irgendwelche Blumenbilder oder mit Herzchen umrahmte Sprüche. Die Brüder und Schwestern an der Highschool haben sich allerdings etwas geschmackvoller eingerichtet. Vielleicht liegt es daran, dass man ja auch das Haus im Wesentlichen nur zum Schlafen verwendet oder als Lager. Viele Familien kochen im Hof und angenehme Kühle findet man vielleicht eher unter einem Baum als im Haus. Vielleicht hat man eh keinen Strom und abends würde man sich unter sperrlichem Licht kaum an der Gestaltung erfreuen. Oder man hat Strom, aber schaut dann eher nur fern, so dass die Gestaltung der Nähe ja egal ist. Doch ich habe bisher auch noch nicht so viele Wohnungen, besonders in einer Stadt, gesehen.
Die Vorlage für mein Krippenbild. Ich entdeckte diese überwachsene Ruine in Bagamoyo.

Die Vorlage für mein Krippenbild. Ich entdeckte diese überwachsene Ruine in Bagamoyo.


Mein Krippenbild für die Schwestern in St. Ignatius. Als Künstler hat man die großartige Freiheit Dinge zu verändern.

Mein Krippenbild für die Schwestern in St. Ignatius. Als Künstler hat man die großartige Freiheit Dinge zu verändern.


So ganz ohne Geschenke ging es dann für mich doch nicht. Es gab ein selbstgebasteltes SIEDLER-Spiel und das schönste daran sind natürlich die Ritterkarten. Die erste Runde gewannen Victoria und Roxanne, aber ich möchte es auch gerne mal mit den Schülern in der Highschool spielen.

So ganz ohne Geschenke ging es dann für mich doch nicht. Es gab ein selbstgebasteltes SIEDLER-Spiel und das schönste daran sind natürlich die Ritterkarten. Die erste Runde gewannen Victoria und Roxanne, aber ich möchte es auch gerne mal mit den Schülern in der Highschool spielen.


Besuch im „Village of hope“
Am ersten Weihnachtsfeiertag haben wir die Messe im village of hope, einem Heim für AIDS-Waisen, mitgefeiert und anschließend noch etwas mit den Kindern gespielt. Es gab auch eine Kindertanzgruppe, doch die kann noch viel lernen. Sie ließen die ganze Zeit ihre Arme hängen und hatten etwas mehr Mühe sich recht gleichmäßig zu bewegen. Höhepunkt war die Prozession mit dem Evangelium zum Altar. Einige Kinder hatten sich etwas traditioneller gekleidet. Am eindrucksvollsten war ein Mädchen, das eine brennende Feuerschale auf dem Kopf trug. Faszinierend fand ich aber auch die Krippe. Die Landschaft war ansprechend gestaltet und es gab viele Figuren. Manche waren zwar doppelt, aber das fiel nicht gleich auf. In der Krippe der Kathedrale von Dodoma hingegen findet man jede Figur außer der heiligen Familie ein zweites Mal und teilweise sogar, wie bei den Königen, nebeneinander stehend. Im Gottesdienst wurde dann aber die Beleuchtung der Krippe angeschaltet. Der totale Partyhimmel. Die 3 Könige wären hoffnungslos überfordert gewesen. Bestimmt fast 1000 kleine bunte Leuchten von verschiedenen Lichterketten blinkten nun. Was mich aber beeindruckte war, dass sie alle aufeinander abgestimmt schienen und dennoch sich das Bild nie völlig wiederholte.
Das Village of hope, dass an der Ausfallstraße nach Dar-es-Salam liegt und an dem ich normalerweise morgens auf dem Schulweg vorbeifahre, ist sehr willkommend eingerichtet. Die Wohnbaraken sind im Kreis um einen kleinen grünen Park mit Klettergerüsten angeordnet. Eines der Häuser beherbergt die Gemeinschaftsräume zum Basteln. Für mich war es der erste Ort, an dem ich Kinder wirklich ausgiebig basteln oder malen gesehen habe. Zum Teil sind die Ergebnisse wirklich schön. Zum Teil eher etwas seltsam. Beim meinem ersten Besuch in dem Dorf fädelte ich mit den Kindern kleine Plastik-Perlen zu Ketten. Einige der Kinder knüpften ein Perlen-Kreuz für die Kette. In einem anderen Raum malten sie Krippen. In einem weiteren wurden Gipsfiguren bemalt. Jesus- und Maria-Figuren. Aber fast alle mit heller Hautfarbe. Es gab auch einen etwas grünlich schimmernden Jesus am Kreuz, doch generell kaufen die Leute nur einen weißen Jesus. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Aber es zeigen sich doch deutlich wieder die Einflüsse des tansanianischen Bildungssystems. Die Kinder oder Schüler sind wunderbar im Memorieren und Kopieren. Natürlich hängt es von den individuellen Fähigkeiten ab, aber oft können Kinder Bilder detailgetreu abzeichnen oder Definitionen wortwörtlich aufsagen ohne dabei den Blick für das Wesentliche oder Verständnis für den Sinn zu entwickeln. Die Krippenbilder variierten zwar in Farben und sogar in Technik (manche verwendeten eine Kratztechnik), doch die Bildkomposition war immer gleich. Ebenso hatten die Kreuze zwar unterschiedliche Farben, aber bis auf ein Einziges waren sie alle in der Form identisch. Individuelle Interpretationen, auch auf die Gefahr hin, dass es eben nicht so schön aussieht oder nicht gleich gelingt, gibt es doch eher selten. In bestimmten Bereichen, wie auch durch Schuluniformen, ist doch eine größere direkte Uniformität stärker ausgeprägt als in Europa. Doch letztendlich gibt es die wohl auch da: möge die Kleidung auch sehr verschieden aussehen, die Marke muss doch die gleiche sein.
Auf dem Gelände gibt es neben dem Haus der Schwestern, Anbetungsschwester des kostbaren Blutes mit italienischen Wurzeln, und der etwas runden und durchaus hübschen Kirche auch eine Krankenstation. Generell werden in diesem Dorf nur Kinder aufgenommen, deren Eltern verstorben und die selbst positiv auf HIV testet worden sind. In einem Raum stehen einige Betten für die erkrankten älteren Kinder. In dem anderen Raum liegen die Babys. Zur Zeit 6 oder 7. Manche kaum ein paar Monate alt. Das Dorf ist wohl noch recht neu. Die Idee ist, dass die Kinder auch bleiben und später im Dorf arbeiten können, wenn sie wollen. Ich weiß nicht, wie viele es genau sind zu Zeit. Vielleicht um die 60 Kinder. Die meisten im Vor- und Grundschulalter. Es gibt auch eine Bäckerei auf dem Gelände und dann gibt es noch 2,3 Wohnungen für Familien. Jeweils ein älteres Ehepaar kümmert sich besonders um die kleineren. Direkt in der Nachbarschaft sind 2 große Grundschulen und ein kirchlicher Radiosender.
Für die Kinder scheint es wirklich eine hoffnungsvolle Welt in diesem Dorf zu sein. Die Stimmung ist irgendwie anders als draußen. Irgendwie leiser. Vielleicht weil der Alltag doch sehr christlich geprägt ist. Vielleicht weil es einfach nicht so viele Kinder sind. Vielleicht aber einfach weil es ein besonderer Ort ist. Glücklicherweise aber nicht die einzige Einrichtung in Dodoma, die sich dem Schicksal der AIDS-Waisen annimmt.

„The party is not complete…“

Für mich ist es hier ja nicht nur eine Auseinandersetzung mit der tansanischen Kultur, ebenso erlebe ich ja jeden Tag auch ein Stück Amerika. Traditionelle us-amerikanische Küche stellte ich mir bisher eigentlich immer als Fastfoot vor, aber über die Kochkünste meiner Mitbewohnerinnen kann ich mich nicht beklagen. Doch was ist schon traditionell us-amerikanisch? Meine Mitbewohnerinnen haben ihre familiären Wurzeln zur Hälfte in den Philippinen, Irland oder Italien. So ist das Essen oft wirklich gut. Meist vegan. Höchstens Eier. Fleisch ist einfach zu teuer und Jamie ist ja auch eigentlich Vegetarier, zumindest wenn es eh kein Fleisch gibt. Milchprodukte sind auch teuer und es gibt nicht so viel. Doch es gibt ja die Montage, an denen wir einen gemeinsamen Abend mit den Jesuiten verbringen und dort gehört zum guten Essen immer eine große Portion Hühner-, Ziegen- oder Rinderfleisch.
Diesmal allerdings haben wir die Jesuiten eingeladen. Thanksgiving, ein ur-us-amerikanisches Fest, wollte gefeiert werden und dazu gibt es traditionell Truthahn. So wurde ein lebender Truthahn gekauft und dann am Tag des Festes geschlachtet. Das hat allerdings nur Roxanne miterlebt, die mit dem Zubereiten der Truthahnes betraut wurde.
Gefeiert wurde bei den Jesuiten in Ihuma, also denen, die auf dem Schulgelände der St. Peter Claver Highschool wohnen, weil dort die größte Küche ist. In dieser Küche wird aber weitestgehend nur für die Jesuiten gekocht. Die Schulküche ist noch etwas größer, aber bei weitem nicht so gut ausgestattet. Doch auch bei den Jesuiten ist es schwer ein scharfes Messer zu finden.
Kleiner Exkurs: Sonntagsgottesdienste
Bevor wir in der Stadt noch die weiteren Zutaten für das Mahl kauften, waren wir zu Christ-König im Gottesdienst. Es war einer meiner schönsten Gottesdienste in Tansania bisher. Ich sang diesmal nicht mit im Chor, sondern hörte ihm einfach zu und erfreute mich gleichzeitig an der Darbietung der Kindertanzgruppe, die ich erstmals in Aktion erlebte. Die Sonntags-Gottesdienste hier sind etwas anders als in Deutschland. Musikalisch partizipiert die Gemeinde kaum am Gesang des Chores. Dominant ist dahin gegen die Elektroorgel samt Drumcomputer. Die Organisten beherrschen für gewöhnlich ihr Instrument wirklich gut, aber rein geschmacklich passt es manchmal so gar nicht. Negativer Höhepunkt war für mich bisher unsere Darbietung von Händels „Amen, Halleluja“ auf Kiswaheli. Dieses Stück hatten wir wirklich lange geprobt und teilweise war es wirklich anstrengend eine komplette Chorprobe lang nur an diesem einen Stück zu arbeiten. Aber schließlich klang es doch annehmbar. Im Gottesdienst sangen wir es aber nicht a-capella, sondern in Begleitung der Elektroorgel, die schön die Dynamik des Stückes einebnete. Doch mit zugeschaltetem Drumcomputer konnte das für europäische Ohren eigentlich nur noch eine Parodie sein. Aber die Gemeinde klatsche danach trotzdem.
Dafür wird die Gemeinde öfter eingeladen Gebete, die in Deutschland für gewöhnlich nur der Priester spricht, laut mitzubeten. Besonders beim Hochgebet ist das eindrucksvoll. Bei den Wandlungsworten singt die Gemeinde bestätigend, dass dies wahrlich der Leib bzw. das Blut Christi sei und sie es respektieren und weist dabei mit der rechten Hand gen Altar. Auch die Schlussdoxologie des Hochgebetes und das Gebet vor dem Friedensgruß wird oft nicht nur vom Priester alleine gesprochen. Ansonsten ist es ein streng katholischer Ablauf. Die normalerweise fast anderthalb Stunden enthalten eine längere, vielleicht dem Längenmaß der evangelischen Kirchen entsprechende Predigt. Ich verstehe von der Predigt nichts, aber einmal erzählte Fr. Sossy, dass er seit Wochen damit beschäftigt ist zu predigen, dass es keine Rolle spielt, ob der Kopf Jesu am Kreuz nach links oder rechts geneigt ist. Irgendjemand hatte in die Welt gesetzt, dass Kruzifixe mit einem nach links geneigten Kopf verwunschen oder vom Teufel sind. Viele hat das verunsichert. Die meisten Menschen hier sind eben sehr religiös und ihnen liegt ein gottgefälliges Leben am Herzen und so wollen sie ihn nicht mit einem falschen Kruzifix erzürnen.
Die Vermeldungen werden weitestgehend von Gemeindemitgliedern vorgetragen. Das Schlusslied wird nach einer Strophe abgebrochen, um noch ein Gebet mit Bezug auf Ignatius, den Gründer der Jesuiten, zu sprechen. Ist das Gebet vorbei, singt der Chor noch etwas, während die Gemeinde aus der Kirche strömt und für die nächsten Gottesdienstbesucher Platz macht. Dann zieht auch der Chor ab und unser Chorleiter steht manchmal noch mit den Armen wendelnd als letzter vor leeren Bänken. Letztendlich wird dann auch die Elektroorgel und der Drumcomputer abgeschaltet. Nach wenigen Minuten stimmt der dritte Chor das erste Lied für die dritte Sonntagsmesse an.
Die Gottesdienstbesucherzahl sinkt allerdings kontinuierlich. Zum ersten Gottesdienst um 7 Uhr kommen mehr als 2.000 Menschen. Sie sitzen dicht gedrängt auf den Bänken, stehen an den Eingängen der Kirche oder haben einen Platz auf dem Gelände um die Kirche gefunden. Warum so viele ausgerechnet den ersten Gottesdienst besuchen wollen, beantworten die Jesuiten mit der von vielen nicht so eingehaltenen Sonntagsruhe. Viele gehen danach wie normal arbeiten. Staatliche Institutionen haben aber sonntags geschlossen. Einige hundert, aber sicher weniger als tausend, Menschen kommen zum zweiten Gottesdienst um 9 Uhr, während man beim dritten Gottesdienst gerne eine Bankreihe für sich alleine haben kann. Am Nachmittag gibt es noch einen Kindergottesdienst, aber den habe ich bisher noch nie besucht.
Unser Chor versammelt sich indes nach dem Gottesdienst zur Probe oder zur Gesprächsrunde, die manchmal noch andauert, wenn der dritte Gottesdienst endet. Aber falls es wirklich so lange dauert, kann ich danach bei den Jesuiten auf dem Kirchengelände vorbei schauen und werde dann zu Brause und gelegentlich auch gleich zum Mittagessen eingeladen.
Die Thanksgiving-Feier
Die Jesuitengemeinschaft war zu dem Zeitpunkt ziemlich amerikanisch geprägt, da 3 Jesuiten aus Amerika da waren. So gab es dort in den vergangenen Wochen schon des öfteren einen amerikanischen Abend mit texanisch-mexikanischem Essen. Wir konnten also davon ausgehen, dass es einige geben wird, die den Truthahn dann auch essen.
Mein Plan war mich um die Nachspeise zu kümmern, die aus einem Maulwurf-Kuchen bestehen sollte. Einige wichtige Zutaten sind aber schwer zu bekommen. Wirkliche Butter gibt es nicht, sondern nur gesalzene Margarine und auch nur saure Sahne, die wir dann auch vergaßen einzukaufen, aber Bananen sind sehr günstig und so bestand dann halt die Creme aus vielen Bananen mit etwas Milch angedickt mit etwas Mehl und Zucker, wobei letzerer eigentlich überflüssig war. Doch der Kuchen gelang. Vorher musste aber überhaupt einer der 3 Öfen wieder in Gang gesetzt werden. Es war auch für einige Jesuiten unverständlich, dass in solch einer großen Küche kein einziger Ofen funktionierte und niemand davon etwas wusste. Letztendlich gelang es, aber dem amerikanischen Fr. Jim und mir den größten Ofen wieder in Betrieb zu nehmen, dass überhaupt der Truthahn zubereitet werden konnte und Fr. Jim auch seinen Apfelkuchen backen konnte.

Hannah rührt mit mir die Soße für den Truthahn an.

Hannah rührt mit mir die Soße für den Truthahn an.


Schließlich gab es ein sehr üppiges Mal. Besondere Freude verbreitete sich bei uns, als wir erfuhren, dass auch die Gema-Schwestern aus St. Ignatius mitfeiern werden. Es war wirklich im wahrsten Sinn ein Danksagungsfest. Während die anderen sich an hochprozentigen Getränken erfreuten gab es für Roxanne, mich und einige Schwestern leckeren Mangosaft.
Ein reichlich gedeckter Tisch. Das Festmahl kann beginnen.

Ein reichlich gedeckter Tisch. Das Festmahl kann beginnen.


Doch nach mehreren Runden Essen bei denen ich besonders den Kartoffelbrei schätzte, den ich in ähnlicher Qualität nur von meinen Großeltern kenne und der letztendlich von der Schulleiterin von St. Ignatius, Sr. Euphrasia, gewürzt worden war, und alle dachten, dass es ein schöner Abend war, stand Fr. Derick, ein noch recht junger und sehr lebendiger Jesuitenpater aus Dar-Es-Salam auf und sagte „The party is not complete! Now we have to dance!“ Die Schwestern waren gleich dabei und auch Fr. Ayaga, der Schulleiter von St. Peter Claver, macht da immer schnell mit. Ja, dann nach einer guten halben Stunde war dann die Party „complete“, so dass sich jeder dran erinnern würde.
Wir tanzen zu afrikanischem Discosound. In der ersten Reihe Br. Jean-Baptist, Cristina, Br. Thomas, Fr. Jim. Neben mir Sr. Euphrasia.

Wir tanzen zu afrikanischem Discosound. In der ersten Reihe Br. Jean-Baptist, Cristina, Br. Thomas, Fr. Jim. Neben mir Sr. Euphrasia.


Meine (nun teilweise ehemaligen) Mitbewohnerinnen: Roxanne, Cristina, Hannah und Jamie (v.l.n.r.).

Meine (nun teilweise ehemaligen) Mitbewohnerinnen: Roxanne, Cristina, Hannah und Jamie (v.l.n.r.).


Auf dem Rückweg holten wir die mindestens 10min vor uns gestarteten, gemütlich hinter einem Truck hertuckelden Schwestern ein, doch wir konnten sie nicht überholen und Fr. Sossy stieß ein „Go, sister, go!“ aus. Letztendlich rasten sie uns dann doch davon.
Es ist auch hier sicher etwas besonderes, wenn man sich zu einem gottgeweihten Leben entschließt. Aber es gibt doch eine Vielzahl von Berufungen, auch gerade in christlich geprägten Schulen. Eine handvoll Schüler von St. Peter Claver möchte gerne Jesuit werden. Es ist ja auch kein Leben hinter Klostermauern, sondern ein Leben in der Welt. Vorzugsweise mit den Armen, Kranken und Schwachen, wobei zu letzteren sicher auch Kinder gezählt werden können. Ein Leben, bei dem es genauso viele alltägliche Probleme und Herausforderungen gibt, doch auch viele Freuden. Neben der grundsätzlichen Freude des Evangeliums, sind da viele Feiern. Also gutes Essen gibt es immer und einen Grund zum Feiern findet man auch schnell. Ansonsten stößt man auf den Tagesheiligen an. Manchmal kann sich da natürlich die Frage nach der gelobten Einfachheit oder gar Armut stellen. Ist es nötig, dass die Jesuiten oft eher ein iPhone statt einem einfachen Handy haben oder das Essen so gut ist? Was ist Voraussetzung für eine gute, effiziente Arbeit, was ist Luxus? Doch das ist sicher eine Frage, die jeder einzelne oder jede Gemeinschaft für sich ehrlich beantworten muss.

Trauben vom Premierminister und Amerikaner experimentieren mit nordkoranischen Medikamenten

Eine Geschichte aus der ersten Woche in Tansania.
An einem schönen Morgen fuhr ich mit dem Rad zum Airport-Parish, dem Gemeindegelände der Jesuiten hier in Dodoma mit einer großen Kirche und ihren Wohnungen sowie einem kleinen Laden, vielen Bäumen, einigen Stallungen für Kleintiere und einem Feld. Eigentlich ist hier ja jeder Morgen schön. Manchmal vielleicht noch etwas kalt, aber die Sonne scheint wenig später bestimmt. Den grauen nebelverhangenen Herbstmorgen gibt es hier nicht, aber in der ersten Zeit musste ich mich erstmal an das für europäische Kleinstadtkindaugen stets gute Wetter gewöhnen. Dort traf ich Father James und nach einer guten Unterhaltung über das Miteinander der Religionen hier in Dodoma, lud er mich zum Mittagessen ein. Das ist immer lohnenswert, denn die Jesuiten haben gute Köche. Schließlich gab er mir noch ein paar Trauben „vom Premierminister“ mit. Dessen Frau ist katholisch und geht gerne auch mal mit ihm bei den Jesuiten sonntags zur Messe und so kommen regelmäßig kleine Geschenke von ihm. Einmal hab ich ihn inzwischen gesehen. Da waren dann an jenem Sonntag einige weiße Polizeijeeps und eine schwarze Limosine mit 2 Tansania-Fahnen am Bug auf dem Kirchengelände geparkt. Der Mann, der zum Ende des Gottesdienstes noch was gesagt hatte, war also der Premierminister. Nach zweimal Bundesbildungsministerin (in Jerusalem und in Erfurt) halt diesmal ein Chor-Auftritt vor dem Premierminister eines Landes. Als Musiker kommt man schon rum.
An diesem Morgen brachten seine Leute für die Jesuiten ein paar Ziegen und Trauben in der Größe von Pflaumen von der Farm des Premierministers. Noch kann ich nicht viel zur politischen Situation hier erzählen, doch die Menschen in ungefähr meinem Alter und mit etwa vergleichbarem Bildungsweg mit denen ich bisher gesprochen habe, setzen sich kritisch mit der Regierung auseinander. Es ist keine fundamentale Verurteilung, aber Korruption und ein doch oft etwas abgehobener Lebensstil sind Probleme.
Zuhause legte ich die Trauben in den Kühlschrank und bot sie meinen Mitbewohnerinnen mit ihrer von Fr. James betonten Herkunft an. Wir wuschen sie allerdings nicht nochmal.
Während mir dies keinerlei Probleme bereitete, wurden Cristina und Jamie wohl von den Trauben krank. Sie entschließen sich diesmal jedoch ausgerechnet zu nordkoreanischen Ärzten zu gehen. Da der Bauch weh tat, wurde ihnen neben einer Massage eine seltsame Elektroschocktherapie zuteil. Die Cristina aber unter scheinbar heftigen Protest abwährte. Insgesamt waren die Nordkoraner den Amerikanern aber sehr freundlich gesonnen, auch wenn die Komunikation wohl sehr schwer war, da sie eigentlich nur koreanisch sprachen. Schließlich wurden Jamie und Cristina mit der Aufforderung morgen wieder zu kommen und bis dahin die Medikamente zu nehmen nach hause geschickt.
Die Medikamente waren in kleinen Papiertütchen verpackt auf denen nichts weiter als ein paar Zahlen standen. Der Name oder gar die Wirkung dieser Medikamente war total unbekannt. Es waren Medikamente in allen erdenklichen Farben und Formen. Von vielen kleinen, silbernen Kügelchen, über zweifarbige Kapseln bis hin zu braunen mehr als haselnussgroßen Kugeln.
So saßen wir abends alle 5 versammelt um unseren großen Runden Tisch im Wohnzimmer, wobei vor Jamie und Cristina je ein kleiner Berg an Medikamenten lag. „Sag mal hast du schon die gelbe Pille getestet?“ „Nee, so eine hab ich gar nicht, aber vielleicht probiere ich mal diese Kapsel.“ „Wir können sie ja zerstoßen und schauen war drin ist.“ Irgendwann meinte Roxanne, dass das hier wie eine Drogenparty aussehe. Jamie war etwas mutiger, aber letztendlich wagte sich niemand an die großen braunen Kugeln.
Da es beiden am nächsten Morgen besser ging, beschlossen sie die Medikamentation lieber abzusetzen und hielten auch einen weiteren Besuch bei den freundlichen Nordkoreanern für unnötig. Cristina tat das aber etwas leid, da sie es ja eigentlich versprochen hatten.

Die kleine Nebenstraße vor unserem Haus ist gesäumt mit einer Allee von blühenden Akazien. Rechts geht es zu unserem Haus. Links im Straßengraben liegt Müll. Der Müll wird einfach in kleinen Haufen am Straßenrand abgelegt und demnächst verbrannt. Vorher hat der Wind aber sicher einigen Müll etwas weiter getragen. Gerade zu unter einem Baum ist die Werkstatt von Ramadan, unserem Fahrradmechaniker. Im wesentlichen besteht diese Werkstatt aus einer Holzkiste mit etwas Werkzeug und einer Holzbank mit einem Dame-Spiel, wobei die Spielsteine rote und blaue Flaschendeckel sind.

Die kleine Nebenstraße vor unserem Haus ist gesäumt mit einer Allee von blühenden Akazien. Rechts geht es zu unserem Haus. Links im Straßengraben liegt Müll. Der Müll wird einfach in kleinen Haufen am Straßenrand abgelegt und demnächst verbrannt. Vorher hat der Wind aber sicher einigen Müll etwas weiter getragen. Gerade zu unter einem Baum ist die Werkstatt von Ramadan, unserem Fahrradmechaniker. Im wesentlichen besteht diese Werkstatt aus einer Holzkiste mit etwas Werkzeug und einer Holzbank mit einem Dame-Spiel, wobei die Spielsteine rote und blaue Flaschendeckel sind.


Aktuelle Situation
Am Montagabend hat es zum ersten Mal geregnet. Seit Wochen blühen nun schon die Akazien an der Straße vor unserem Haus in herrlichem Rot. Das ist wirklich wundersam woher diese Pflanzen das Wasser nehmen. Sie fangen vor Beginn der Regenzeit an zu blühen.
Nur einige Stunden zuvor kamen auch die neuen Freiwilligen aus Amerika an. Victoria und Mary. Wiederum zwei Frauen Anfang 20. Der Altersschnitt senkt sich damit etwas und ich bin nun der Älteste. Im Januar kommen dann wohl auch wieder 2 Briten und dann bin ich nicht mehr der einzige Mann im Haus. Cristina verließ uns am Dienstag und am Donnerstag folgt ihr Hannah gen USA nach. Beide waren für 2 Jahre hier, konnten sehr gut Kiswaheli und haben mir oft sehr geholfen und viele Sachen erklärt. Sie nahmen mich mit zum Chor und zu vielen Besuchen und fragten auch öfter nach meinem Befinden. Sie bildeten die Fraktion im Hause, die unter den Arbeitstag mal einen Schlussstrich ziehen konnte. Generell haben wir alle uns aber ganz gut gegenseitig angespornt, so dass ich meist schon das Gefühl hatte, dass ich gearbeitet und hoffentlich dabei was halbwegs sinnvolles gemacht habe.
Es wird spannend wie es nun weitergeht. Das gemeinsame Leben im Haus prägt natürlich den Alltag und es wird sich jetzt alles etwas umsortieren. Besonders wenn wir dann 7 Freiwillige sind. Doch ich bin zuversichtlich, dass es auch weiterhin ein friedsames Zusammenleben bleibt. Es ist natürlich manchmal eine Herausforderung als einziger Europäer inmitten der doch schon länger aufeinander eingespielten Frauen. Aber ich bin froh, dass ich hier nicht alleine ohne andere Freiwillige mit ähnlichen Werten leben muss. Es ist meist eine wohltuende Gemeinschaft und es ist wirklich mein jetziges zu hause.

Deutsche Kolonialgeschichte und das Leben in Saranda

Vor einigen Wochen habe ich Emmanuel, ein gelegentliches Mitglied unseres Chores, in sein Heimatdorf Saranda begleitet. Die topographische Mitte Tansanias liegt nicht hier in der Hauptstadt Dodoma, sondern in dem ca. 2 Stunden westwärts gelegenen Dorf. Etwa 3000 Menschen leben dort. Trotzdem ist dieses Dorf sogar auf den Karten von Tansania verzeichnet, die im Klassenraum hängen und es hat ja auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung: es liegt an der (ehemals) wichtigen Ost-West-Bahntrasse von Dar-Es-Salam über Dodoma nach Kigoma am Tanganjikasee im Westen oder Mwanza am Victoriasee im Norden. Die mehr als 1250km lange Fahrt, bei der man ganz Tansania einmal von der Ozean-Küste zum Tanganjikasee durchquert, dauert ungefähr 2 Tage. Das liegt vor allem an der noch überwiegend originalen, doch inzwischen historischen Infrastruktur und den etwas maroden Lokomotiven, aber auch an dem Fahrplan. Üblicherweise halten die Züge mindestens 15min an einer Station, in Saranda sogar über eine Stunde. Viele Dorfbewohner kommen dann um den Reisenden etwas zu verkaufen. Und so kann eine Reise auch ebenfalls eine Shopping-Tour werden, da es in einem Dorf vielleicht guten, günstigen Honig gibt und in dem anderen gute, günstige Tomaten. Es ist also nicht unüblich einiges, speziell Lebensmittel, von unterwegs mitzubringen. Sicher hat eine solche Bahnstrecke auch eine wichtige Funktion im Informationsaustausch um die Neuigkeiten des Landes zu erfahren, doch inzwischen hat ja auch hier fast jeder ein Handy.
Es ist schon interessant, welchen Blick die Tansaniaer auf die Kolonialgeschichte haben. Dass die Deutschen kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges die Tansaniaer eine Bahnstrecke quer durch das Land bauen ließen, wird durchaus positiv gesehen. Sie hätten die Bevölkerung dazu gebracht so etwas zu bauen, da scheint es oft nicht so wichtig mit welchen Methoden sie sie „motiviert“ haben. In Saranda selbst lassen sich viele Überreste speziell auch der deutschen Kolonialzeit entdecken. Das Bahnhofsgebäude selbst war wohl das solideste Haus im Dorf, doch niemand hat es mehr saniert und nun ist es gefährlich es zu betreten. Neben den 3-gleisigen Bahnhof ließen die Deutschen einige Häuser für die Arbeiter bauen, die auch heute noch bewohnt werden und sogar einen Schornstein haben, was für Häuser hier sehr unüblich ist. Eine Heizung oder einen Ofen gibt es normalerweise nicht und entweder kocht man mit Gas oder man hat seine Feuerstelle draußen im Hof.
Bevor die Deutschen jedoch den Bahnhof bauten, wurde ein langes Rohr von einer Quelle etwas oberhalb ins Dorf gelegt. Diese Wasserleitung wird heute noch benutzt und neben dem guten Geschmack ist die Qualität so gut, dass man es nicht mal abzukochen braucht. Ein Teil des Wassers fließt in eine Zisterne, die nun als Waschplatz dient und die umgeben ist von besonders grünen Bäumen. In diesem Dorf scheint man heute den Kolonialherren dankbar zu sein. Doch nötige Investitionen bleiben weitestgehend aus, um die Infrastruktur auch weiterhin nutzen zu können. Inzwischen fahren nur noch 2 Züge pro Woche und sie kommen abends und nachts. So können die Dorfbewohner nur noch wenig verkaufen. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren, auch besonders mit Unterstützung der Chinesen, den Ausbau der Straßen vorangetrieben. Der Personen- und Güterverkehr findet somit kaum mit der Bahn statt. Doch ich habe vor einigen Wochen in der Zeitung gelesen, dass nun verstärkt wieder in die Bahn investiert werden soll. Ein paar neue Triebwagen, die die indischen, teilweise noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden Diesel-Loks, ersetzen, wären ein guter Anfang.

Wie ein Blick in ein vergangenes Jahrhundert scheint der Bahnhof von Saranda. Abends sahen wir den Zug nur aus der Ferne, doch als wir den Bahnhof erreichten war noch immer das ganze Dorf dort versammelt.

Wie ein Blick in ein vergangenes Jahrhundert scheint der Bahnhof von Saranda. Abends sahen wir den Zug nur aus der Ferne, doch als wir den Bahnhof erreichten war noch immer das ganze Dorf dort versammelt.


Dorfbewohner kommen zur Zisterne, um ihr Sachen zu waschen. Leider wurde auch Müll dort entsorgt, dadurch ist das Wasser nicht so sauber. Doch das gute Wasser sollte nicht zum Waschen verschwendet werden.

Dorfbewohner kommen zur Zisterne, um ihr Sachen zu waschen. Leider wurde auch Müll dort entsorgt, dadurch ist das Wasser nicht so sauber. Doch das gute Wasser sollte nicht zum Waschen verschwendet werden.


Die Bevölkerungsdichte in Tansania ist nur ungefähr ein Sechstel von jener in Deutschland, so liegen die Dörfer weiter auseinander und es ist nicht ungewöhnlich, wenn man fast das ganze Jahr nur im eigenen Dorf ist. Das nächste größere Dorf ist auch gute 20min Motorradfahrt von Saranda entfernt. Ein Dorf hat also gewöhnlich einige Läden, Gotteshäuser und auch eine Grundschule. Viele Bewohner haben ihr eigenes selbstständiges Geschäft und sind auf den Erfolg angewiesen, da es kein staatliches soziales Sicherungssystem gibt, jedoch ist der familiäre Zusammenhalt ausgeprägt und die Familie ist ja auch groß. Als ich mit Emmanuel durch das Dorf gelaufen bin, trafen wir sehr viele Verwandte von ihm. Von einigen wusste er nicht den Namen, aber das Verwandtschaftsverhältnis kann auch sehr verzweigt sein. Ein Onkel von Emmanuel hat Rinder und schlachtet und verkauft das Fleisch an Frauen, die dann ein Essen daraus kochen und es am Bahnhof verkaufen. Am Abend sollen die Frauen dann das Fleisch bezahlen, wie viel genau ist auch Verhandlung, da vielleicht nur wenig Reisende im Zug waren. Emmanuel erzählte mir, dass es nur eine handvoll Bewohner mit einem Universitätsabschluss im Dorf gibt, aber wozu bräuchte man den auch? Man lernt halt soviel, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, aber eine qualitative, strukturierte Ausbildung nach der Grundschule ist nicht die Regel. Es gibt leider auch einige Kinder, die nicht einmal die Grundschule besuchen, da die Eltern ihre Arbeitskraft zum Wasserholen oder für andere Aufgaben brauchen oder bereits gestorben sind.
Die Hauptstraße des Dorfes mit einigen Läden am Straßenrand. Im Hintergrund ist ein großes Werbeplakat für Kondome zu sehen.

Die Hauptstraße des Dorfes mit einigen Läden am Straßenrand. Im Hintergrund ist ein großes Werbeplakat für Kondome zu sehen.

Am ersten Tag besuchten wir Emmanuels Großvater, der nun in einer kleinen Enklave ca. 30min Fussweg oberhalb des Dorfes lebt. Unten im Dorf bauen sie Reis an. Hier oben ist der Boden gut für Mais geeignet. Eine eigene Grundschule gibt es im oberen Dorf nicht, so müssen die kleinen Kinder jeden Tag nach Saranda laufen.

Am ersten Tag besuchten wir Emmanuels Großvater, der nun in einer kleinen Enklave ca. 30min Fussweg oberhalb des Dorfes lebt. Unten im Dorf bauen sie Reis an. Hier oben ist der Boden gut für Mais geeignet. Eine eigene Grundschule gibt es im oberen Dorf nicht, so müssen die kleinen Kinder jeden Tag nach Saranda laufen.


In Saranda gibt es auch eine religiöse Vielfalt. Es gibt Katholiken und Moslems, aber auch viele Anglikaner, wie Emmanuels Großvater, den wir besuchten und der anglikanischer Priester ist. Traditionelle Naturreligionen gibt es kaum und die Riten haben in Saranda auch keinen Eingang in das Christentum gefunden. Am Sonntag besuchten wir den Gottesdienst und da zeigte sich auch in Tansania der Priestermangel in der katholischen Kirche, so dass keine Eucharistie gefeiert werden konnte. Doch der Chor sag und es gab eine Predigt. Mitten im Gottesdienst wurde dann die Elektroorgel aufgebaut. Sie wurde vorher noch woanders verwendet und zum Ende des Gottesdienstes war dann das Benzin im Generator alle. Aber so ist das halt.
Ein besonderer Höhepunkt meines 2-tägigen Aufenthaltes war die Gründung einer neuen kleinen Hilfsorganisation. Auch in einem Dorf gibt es Straßenkinder, die oftmals ihre Eltern durch AIDS verloren haben und nun viel herumlungern und sich teilweise nur von gekochten Blättern ernähren. Einige Dorfbewohner wollen sich der Kinder nun annehmen und ihnen Bildungsmöglichkeiten wieder eröffnen. So wurde nun „Wendo kuvana“ (Liebe für Kinder) aus der Taufe gehoben. Zu Weihnachten soll es als erste Aktion ein Essen für die Kinder geben. In den kommenden Monaten soll versucht werden wöchentlich eine warme Mahlzeit den Kindern anzubieten, eine Kleiderkammer einzurichten und neben einer halbstündigen Unterrichtung, in der für die Kinder relevante Themen insbesondere aus dem Gesundheitsbereich angesprochen werden, auch die Möglichkeit zum Spielen oder zur Beratung. Langfristig ist die Ermöglichung einer soliden Schulausbildung für die Kinder geplant und die finanizielle Absicherung des ganzen Projektes durch einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, da es durchaus genug Wasser gibt, wenn man nur einen Brunnen bohren würde. Doch davon berichte ich ein andermal ausführlicher.
Gründungsversammlung von Wendo Kuvana. Neben dem primären Ziel den Straßenkindern des Dorfes eine würdige Zukunft zu ermöglichen, gibt es auch das Ziel einer Aufwertung der Frauen. Die Zusammensetzung der Gruppe soll möglichst paritätisch sein. Doch in der ersten Diskussionsrunde hielten sich die Frauen sehr zurück. Inzwischen wurden sogar zwei Viertklässler in die Gruppe aufgenommen, um auch Kinder zu Wort kommen zu lassen. Es wird sehr spannend für mich sein diese Entwicklung zu verfolgen und auch ein klein wenig zu begleiten. Ich kann hier kaum eine Beurteilung abgeben, deshalb kann ich nur Fragen stellen und vielleicht meine europäische Sicht vortragen, aber möglicherweise kann auch das zum Gelingen des Projektes beitragen.

Gründungsversammlung von Wendo Kuvana. Neben dem primären Ziel den Straßenkindern des Dorfes eine würdige Zukunft zu ermöglichen, gibt es auch das Ziel einer Aufwertung der Frauen. Die Zusammensetzung der Gruppe soll möglichst paritätisch sein. Doch in der ersten Diskussionsrunde hielten sich die Frauen sehr zurück. Inzwischen wurden sogar zwei Viertklässler in die Gruppe aufgenommen, um auch Kinder zu Wort kommen zu lassen. Es wird sehr spannend für mich sein diese Entwicklung zu verfolgen und auch ein klein wenig zu begleiten. Ich kann hier kaum eine Beurteilung abgeben, deshalb kann ich nur Fragen stellen und vielleicht meine europäische Sicht vortragen, aber möglicherweise kann auch das zum Gelingen des Projektes beitragen.


Zurück nach Dodoma fuhren wir mit einem Truck. Es ist wohl über 20 Jahre her, dass ich das letzte Mal mit einem Truck mitgefahren bin. Viele Truckfahrer werden aber schlecht bezahlt und so nehmen sie gerne Reisende auf oder verkaufen einen Teil ihres Benzins unterwegs. Doch auch gerade die Truckfahrer sind eine Gruppe unter denen sich das HI-Virus ausbreitet, da sie „Liebschaften“ in vielen Städten haben. Unser Truckfahrer hatte jedoch seine Frau dabei und als Angestellter der Regierung ist seine Bezahlung auch gut. Als Moslem meint er zwei Frauen gleichzeitig haben zu dürfen und nun lebt er, wenn er nicht unterwegs ist, mit beiden Frauen und seinen Kindern unter einem Dach. Er erzählte uns, dass direkt hinter uns ein weiterer „Regierungstruck“ mit den Examen für die Form 4 fährt. Einige Examensfragen seien vor der eigentlichen Prüfung an die Öffentlichkeit gelangt. Ja, Korruption ist auch ein in Tansania Problem. Deshalb hat die Regierung die Examensfragen nun in Europa anfertigen und einfliegen lassen. Per Truck werden sie nun an die Schulen verteilt. Die Trucks werden von der Polizei begleitet und ebenfalls sitzt ein Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums im Truck. Es scheint ein teurer und irgendwie etwas hilfloser Kampf gegen die Korruption zu sein. Allerdings konnte ich noch nicht herausfinden, ob diese Geschichte wirklich wahr ist.
Für mich war es ein sehr interessantes Wochenende. Ich werde wohl noch einige Male mit nach Saranda kommen, wegen der kleinen Hilfsorganisation, aber ebenfalls wegen des tollen Sternenhimmels. Denn auch wenn es nur wenige Straßenlampen in der Hauptstadt gibt (vielleicht gibt es sogar auf dem Schulgelände der Highschool mehr) und es nachts wirklich sehr dunkel auf den Wegen ist, ist es doch sehr staubig.

Weinverkostung in Homboro

Wer mich kennt, weiß, dass ich keinen Alkohol trinke, doch wann besucht man mal eine Weinkelterei in Afrika?!
Meine Mitbewohnerinnen hatten 2 Freundinnen aus Amerika zu Besuch und denen wollten sie ein kleines Kulturprogramm bieten. Natürlich sind wir hier um zu arbeiten und das tun wir ja normalerweise ausgibig, aber darüber sollen wir nicht vergessen auch das Land kennenzulernen. In gewisser Weise gehört das ja ebenso zu unserer Arbeit. Generell soll Arbeit ja Freude bereiten.
So wurde ich ermuntert mich der Gruppe anzuschließen und vergangene Woche an einem Tag mit Ihnen und Father James nach Homboro zu fahren. Dies ist eine kleine Stadt ca. eine Stunde von Dodoma entfernt. Eigentlich anderhalb Stunden, aber das kommt auf die Fahrweise an. Father James meinte zu mir, dass er, wäre er nicht Jesuit und hätte somit kein Armutsgelübte abgelegt, dann gern einen BMW-Sportwagen hätte.
Es war mein erster Ausflug etwas weiter weg von Dodoma. Nachdem wir die asphaltierte Hauptstraße nach Dar-Es-Salam verlassen hatten, fuhren wir lange auf einer huckligen Sandpiste. Vorbei ein kleinen Lehmhüttem-Dörfern, an Rindern, die über den Schultern einen Wasserspeicher-Höcker wie Dromedare haben, an den dicken, gewaltigen Affenbrotbäumen und durch eine ziemlich vertrocknet scheinende Vegetation, deren Sträucher meist lange gefährliche Dornen haben.
Homboro selbst war nicht gleich als Stadt zu erkennen. An der staubigen Straße gab es ein paar Läden vor denen einige Männer saßen und Dame spielten sowie ein Dalla-Dalla, ein Kleinbus des privat-öffentlich organisierten Nahverkehrs, das auf Mitfahrer wartete. Wir nahmen noch einen Mitarbeiter des dortigen katholischen, ebenfalls von Jesuiten betreuten Gemeindezentrums auf und fuhren dann mit ihm zur Kelterei. Plötzlich gab es in Homboro ein Tor auf der Straße und schon fuhren wir durch das Universitätsgelände. Die Architektur der Uni-Gebäude könnte man ähnlich auch in Deutschland finden. Die Straßen waren nun asphaltiert und hatten sogar Straßenlampen. Selbst in der Hauptstadt ist das nur teilweise im Zentrum der Fall. Es ist eine Universität in der hauptsächlich „public studies“ unterrichtet werden, also eine Ausbildung für die Arbeit in Regierungsbehörden.
Nahe des Stadtrands lag dann das Weingut. Zwar mussten wir etwas mit dem Pförtner verhandeln, doch letztendlich ließ er uns auch ohne Bezahlung auf das Gelände. Vielleicht hatte er doch ein bisschen Respekt gegenüber einem Priester, so vermutete zumindest Father James.
Im Wesentlichen gab es dort ein großes Gebäude. Dort wurden wir nun freundlich willkommen geheißen und bekamen jeder ein riesiges Weinglas. Dann gab es auch gleich erstmal die erste Kostprobe von einem einfachen Wein. Für mich natürlich nur ein Schluck. Aber kosten sollte ich ja schon mal, auch wenn ich keinen großartigen Vergleich anstellen kann.
Dann wurde uns kurz die Geschichte von der Fabrik erzählt. Um guten Wein für die Messe, aber auch andere Gelegenheiten zu keltern, kamen Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein paar Italiener zu den Jesuiten nach Homboro, doch nach einigen Jahrzehnten kam es zu Streitigkeiten, so ließen sich die Italiener ein Stück entfernt am Stadtrand nieder und bauten dort eine Fabrik auf. Dort wird nach Meinung vieler einer der besten Weine Tansanias gekeltert, während die Jesuiten auf ihrem Grundstück zwar nach wie vor einige Weinstöcke besitzen, aber keine Ahnung von der Herstellung guten Weins zu scheinen haben. Die großen Stahlkessel wurden alle per Schiff von Europa gebracht. Die Technologie kommt also von außerhalb, doch die 1,5 bis 2 Mio. Liter Wein pro Jahr sind ausschließlich für Tansania. Zwischendurch gab es schon die zweite Probe während wir beobachteten wie eine neue Ladung Trauben, die von den Bauern in die nahen Bergen stammt, entladen und in die Pressen geschüttet wurde. Schließlich durften wir noch den besten Wein des Hauses probieren, der einige Zeit in Holzfässern lagert und von dem eine Flasche schon 20€ kostet. Insgesamt machte das alles einen sehr modernen Eindruck, auch wenn an der kleinen Etiketiermaschiene sicher mehr Menschen als in Europa beschäftig sind.
Den Abend verbrachten wir dann auf dem Gemeindegelände und sahen am Ufer eines Sees die ersten Sterne aufgehen. Aus dem See ragten viele große Äste. In der Regenzeit ist der Wasserspiegel 2 m höher und kein Ast ist mehr zu sehen. Baden im leicht salzigen Seewasser wird aber nicht so recht empfohlen und viele Tansaniaer lernen auch nicht zu schwimmen. Erst vor wenigen Wochen waren 2 Fischer mit ihrem kleinen, kanu-ähnlichen Boot auf diesem See umgekippt und einer ist ertrunken.
Die Natur auch als Erholungsraum zu sehen, scheint vielen Menschen hier eher noch fremd zu sein. Sehr viele arbeiten nun mal in der Landwirtschaft und so bleibt es in ersten Linie eine Herausforderung, ihr ausreichend Ertrag für eine Lebensgrundlage abzuringen. Doch ich muss mal fragen, ob wie sie sie mögen. Ob sie das Klima tauschen würden oder doch genau in einer solchen Umgebung leben möchten. Ein Bekannter versucht hier gerade ein kleines Reise-Unternehmen aufzubauen, welches besonders die zahlreichen Nationalparks als Urlaubsziel den Tansaniaern präsentieren soll, doch noch ist die Nachfrage eher gering. Viele Besucher dieser Parks scheinen eher aus den Industrienationen zu kommen. Doch zumindest für die hiesige obere Mittelschicht werden sie zunehmend interessant, so schlug mir mein Physiklehrer Katabaro vor, dass wir mal gemeinsam mit seiner Familie einen besuchen sollten.

St. Peter Claver Day

Nicht nur katholische Studentengemeinden in Deutschland auch Schulen in Tansania feiern einmal im Jahr ihren Namenspatron. Für die Schüler der St. Peter Claver High-School ist dies eine der seltenen Gelegenheiten im Jahr ihre Eltern und Familien auf dem Internatsgelände willkommen zu heißen. Die ca. 460 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 11 und 16 verbringen fast 11 Monate im Jahr in ihrer Schule, die einige Minuten Autofahrt vor den Toren Dodomas auf einer Hügelkette liegt. Ihr Leben spielt sich zwischen den Dormatories (Schlafhäusern), der Mehrzweckhalle, die als Mensa, Kirche und Versammlungsraum gleichermaßen genutzt wird und natürlich den Klassenräumen, die U-förmig um einen betonierten Sportplatz platziert sind, ab. Daneben gibt es noch eine Krankenstation und ein Gebäude mit den naturwissenschaftlichen Fachräumen, die Häuser der Sisters und Fathers sowie ein im Bau befindliche Bibliothek und eine ebenfalls noch nicht fertiggestellte „richtige“ Kirche und außerdem noch einige Gartenanlagen. Insgesamt gibt es noch viele Baustellen auf dem Gelände, aber die Schule ist ja auch erst vor 3 Jahren eröffnet worden.
Am Samstag vergangene Woche kamen nun also die Eltern und Geschwister zu Besuch. Der Großteil der Schüler stammt zwar aus Dodoma und Umgebung, doch auch viele Familien aus anderen Landesteilen, insbesondere aus Dar-Es-Salam, der Metropole an der Ozeanküste, bringen ihre Kinder hierher. Trotz ihrer noch jungen Geschichte zählt die Highschool schon zu den Führenden in der Region.
Der Tag begann mit einem sehr festlichen Gottesdienst, der abwechselnd in Englisch, der Unterrichtssprache, und Kiswaheli, der Landessprache, gefeiert wurde. Der Schulchor versuchte gegen die zu laute Elektroorgel und deren Drumcomputer anzusingen, die zweisprachige Predigt handelte (zumindest im englischen Teil) von der Notwendigkeit Hinweise von Älteren anzunehmen und während die Familien eher im Laufe des Gottesdienstes eintrudelten, umrundete der Disziplinator-Lehrer unablässig die Reihen Schüler (anfangs noch mit dem Stock, doch nachdem dieser in einem günstigen Moment von einer Schwester versteckt worden war (schließlich feiern wir doch gerade einen Gottesdienst), nur noch mit einem Notizblock, um sich die Namen der sich nicht ganz gottesdienstgemäß verhaltenden Schüler aufzuschreiben).
Nach dem Gottesdienst konnten die Schüler nun zu ihren Familien. Vorher wurde jedoch noch die Nationalhymne gesungen und die Flagge von einer Art schulinterner Pfadfindergruppe gehisst. An manchen Tagen singen sie richtig schön, doch diesmal dröhnte die Elektroorgel alle zu. Auf dem Programm standen nun verschiedene Angebote der Clubs, die als eine Art freiwillige Arbeitsgemeinschaft jede Woche stattfinden und sich nun erstmals zu präsentieren hatten. Die Vorbereitung dessen hatte besonders meinen amerikanischen Mitbewohnerinnen, die fast alle ebenfalls an der Schule arbeiten, einige Mühe bereitet, doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Über eher fachgebundene Clubs, wie den Mathe- oder den Französisch-Club, gibt es auch sportliche Gruppen, wie den Basketball-, den Tanz- oder den Yoga-Club oder philosophische Clubs, wie den Magis-Club, der sich mit jesuitischer Spiritualität auseinandersetzt, schließlich auch einen Club, der sich sozial engagiert und natürlich einen Koch-Club. Der naturwissenschaftliche Club führte beispielsweise verschiedene Destillationsprozesse vor.
Anschließend fand eine Art Spenden-Gala zugunsten der Familien, die das Schulgeld von ca. 1150€/Jahr nicht tragen können, statt. Entgegen der ursprünglichen Intension der Jesuiten in die Bezirke der Armen zu gehen, mit ihnen zu leben und ihren Kindern eine Ausbildung zu geben, die ihnen einen sozialen Aufstieg ermöglichen kann, sind es an der St. Peter Claver High-School, doch hauptsächlich Kinder der Mittelschicht und Oberschicht. Gerade jene Oberschicht tanzte nun in die Mitte und verkündete wieviel sie spenden würden. Üblich waren Beträge zwischen 50€ und 150€, doch es gab auch vereinzelt deutlich höhere Spenden. Für mich ist es, wie für meine Mitbewohnerinnen auch, ein Bild, dass wir für uns vermeiden möchten: sich hinstellen und die großherzige Spende beklatschen zu lassen. Doch es mag etwas anderes sein, wenn es Einheimische sind, die durch ihre Kinder mit der Schule verbunden sind. Ich bin ja gerade erst 4 Wochen im Land und werde es sicher auch nach einem Jahr nicht genau beurteilen können, doch ich kann mir vorstellen, dass es für ärmere Familien eine schwierige Situation ist, ihr Abhängigkeitsverhältnis so vor Augen zugeführt bekommen.
Eine Stunde unterhielt ich mich sehr nett mit einem Bruder einer Schülerin, der nur ein paar Jahre jünger ist als ich und nun Jura studiert, und diskutierte mit ihm auch offen über die Disziplinarmethoden an dieser Schule und die, wie er selbst fand, reformbedürftige Landespolitik. Zwischendurch erfuhr ich, dass ihr Vater, wohl so eine Art Ministerpräsident einer Region in Tansania sei. Unter den Eltern waren auch mindestens zwei Mitglieder des nationalen Parlamentes. Es ist halt viel Oberschicht.
Vielleicht ist in diesem Punkt, die straffe Kontrolle und Uniformierung manchmal gar angebracht: alle tragen die gleiche Kleidung, haben die gleichen Unterrichtsmaterialien und die gleiche Frisur. Auf keinem Schülerkopf, ob Junge oder Mädchen, wachsen Haare, die länger als 1 cm sind. Im Schulbus fährt früh auch oft der Friseur mit. Nach gerade einem Monat Ausbildung wurde er in diesem Jahr von der Schule angestellt und so schneidet er nun täglich bis zu 60 Schülern die Haare. Mindestens einmal im Monat müssen sie zu ihm. Der St. Peter Claver Day, war für mich der erste Tag, an dem ich nun endlich mal viele verschiedene Frisuren gesehen habe. Auch in der Kirchgemeinde vor Ort und unter den Lehrern herrscht keine so große Vielfalt. Viele Frauen haben kurze Haare und Männer sowieso. Ob es eine Schülerin ist, erkenne ich oft am schnellsten am beigen oder grauen Rock statt der Hose.
Nachmittags gab es dann Essen. Doch diesmal nicht Ugali oder Reis mit Bohnen wie jeden Tag, sondern ein auswärtiger Service brachte ein reichhaltiges Menu. Schließlich zeigten die Basketballer noch in einem Spiel ihr können, doch das gemeinsame Spielen von Eltern und Schülern habe ich nicht beobachtet. Nach 10 Stunden ging der Tag in der Abenddämmerung seinem Ende entgegen und das Wichtigste hatte stattgefunden: ein paar gemeinsame Stunden mit der Familie. Das nächste Wiedersehen wird wohl erst in den großen Ferien im Dezember sein.

Karibu, Karibu. Habari gani?

Sehr freundlich wurde ich willkommen geheißen,

in einem Land, in dem die Kirchen keine Glasfenster haben und so der Gesang noch weit zu hören ist und Vögel in den Kirchen mitsingen.
in einem Land, in dem die meisten motorisierten Verkehrsteilnehmer Motorräder und Dalla-Dallas, die gefüllten Minibusse des Nahverkehrs, sind.
in einem Land, in dem die Schüler Schuluniform tragen und die Nationalhymne beim morgentlichen Appell anstimmen.
in einem Land, in dem Frauen doch (für mich überraschend) viel Respekt entgegengebracht wird und sie in vielen Bereichen gleichberechtigt zu sein scheinen.
in einem Land, in dem Lehmhütten und viele Bauruinen am Straßenrand stehen.
in einem Land, in dem man links fährt.
in einem Land, in dem aus dem leicht hügligen Steppenboden plötzlich große Felsen ragen.
in einem Land, in dem man andere ausreden lässt (außer es klingelt mal wieder das eigene Handy).
in einem Land, in dem fremde Menschen im Vorbeigehen einander grüßen.
in einem Land, in dem ich ohne Handy so auffalle wie in Deutschland.
in einer Stadt, die trotz ihrer wohl 300.000 Einwohner und ihres Hauptstadtstatus eher wie ein größeres Dorf wirkt.
in einer Stadt, in der Schulen außerhalb sind, damit Lehrer und Schüler bessere Luft haben und nicht durch das Treiben in der Stadt abgelenkt werden.
in einer Stadt, in der der Wind kräftig weht, es am Morgen etwas frisch und am Mittag in der Sonne heiß ist.
in einer Stadt, in der große Eidechsen an den Häuserwänden flink entlangklettern.
in einem Haus, in dem ich nun mit 4 freundlichen, amerikanischen, ungefähr gleichaltrigen Frauen, die ebenfalls als Freiwillige an Schulen tätig sind, zusammenwohne.
in einem Haus mit einem Nachtwächter.
in einem Haus, in dem ich in einem zu kurzen Bett unter einem Moskitonetz schlafe.
in einem Haus, in dem wir allabendlich gemeinsam kochen.
in einer Primary-School, in der in der Chai-Pause eine Traube von unzähligen kleinen Kindern an mir hing.
in einer Primary-School, in der ich nun Gitarrenunterricht versuche zu geben.
in einer High-School, in der sehr strikte Disziplin und Kontrolle herrscht und alle Schüler kurze Haare haben.
in einer High-School, in der ich nun bald Physik unterrichten werde und die dazu auch einen speziellen Experimentierraum besitzt.
in einem Chor, der außer forte nur noch fortissimo zu kennen scheint.
in einem Chor, der fast jeden Tag probt und im Anschluss immer noch eine Erzählrunde in Kiswaheli abhält.
in einem Chor, der jeden Sonntag neue selbstgeschriebene Lieder in der Messe singt.

Dies sind nur ein paar wenige Eindrücke und Auffälligkeiten der ersten Tage. In den kommenden Wochen und Monaten werde ich versuchen über einige diese Themen etwas ausführlicher zu berichten. Ich freue mich sehr über jeden, der mit Interesse diesem Internet-Blog folgt.